Geliebte

Versuch einer Anschmiegung

St Agnes | © Anne Seubert

Manche Orte erzählen sich selbst,
andere brauchen jemanden, der sie erzählt,
einen Fremden etwa, der sie in seinen Blick genommen, der sich hat berühren lassen, anrühren und der uns berichtet,
von diesem Ort, den er aufgesucht und wieder verlassen,
um uns zu erzählen, was ihn berührt.

Einen Ortskundigen, der die Kunde weiterträgt, Schulterblatt voraus.
Solche Menschen tragen den Schlüssel zu ihrem Ort um den nackten Hals, herznah gebunkert.
Er liegt ihnen auf der Brust, kommt zum Liegen, nur wenn du ganz stillstehst, wird sodann für Momente sichtbar:
das Metall, der Bart des Schlüssels, der senkrecht steht auf deiner Haut, der er fremd und zugleich vertraut.

Diese deine Haut, die sich zeigt, wenn du das Haar zurückschlägst,
wenn du den Mantel aufschlägst,
wenn sich der Saum deines Rocks entscheidet,
ein paar Zentimeter preiszugeben, als gäbe es Maßbänder auch in rosarot,
als wären die Geschichten lesbarer nur weil deine Haut bloß.

Auf leisen Talsohlen legt sich dein Körper in die Kurve,
die das Laken löst, von Schüchternheit keine Spur, die der Schlüssel nicht öffnen könnte.
Spürbar
wage ich Blick für Blick ein Streicheln,
versuchsweise, vague gehalten, es könnte auch ein Versehen,
aber es ist mehr, weiss deine Haut in Schauern zu berichten.

Auf ungemachten Betten liegen wir frühs trunken von einer Reise mit dem Finger auf deiner Haut,
durchscheinend wie frischgeschöpfte Molke unsere Leiber, zart,
den Versuch einer Anschmiegung im Ohr:
die Geschichte zwischen uns, den Ort zwischen den Zähnen,
und auf halb elf ein Frühstück, das noch zubereitet werden will,
sobald der Ort wach und du flügge.