Gelage, Gemäuer, The Story behind the Picture

Sehnsucht, Seidenstraße, Samarkand

For lust of knowing what should not be known, we take the Golden Road to Samarkand.
James Elroy Flecker

Samarkand klingt wie ein Märchen, wie eine Stadt aus 1001 Nacht. Samarkand is eine der berühmtesten historischen Städte. Hier zogen einst Karawanen entlang der Großen Seidenstraße vorbei. Samarkand war die Hauptstadt des Reiches von Amir Timur (Tamerlane). Als Astronom und Mathematiker machte Timurs Enkel Ulugh Beg (persisch: میرزا محمد طارق بن شاه رخ الغ‌بیگ Mīrzā Muhammad Tāriq ibn Schāh-Ruch Ulugh-Be) die Stadt im 15. Jahrhundert zu einem Zentrum des wissenschaftlichen und kulturellen Lebens des Ostens. Heute gilt Samarkand als Sehnsuchtsort, als Tor in eine eine andere, vermeintlich längst untergegangene Welt.

Im Jahr 2023 lud mich die Welttourismusorganisation (UNWTO), die Organisation der Vereinten Nationen, die für die Förderung eines verantwortungsvollen, nachhaltigen  Tourismus zuständig ist, an der 25. UNWTO-Generalversammlung in Samarkand, Usbekistan, teilzunehmen. Ich konnte nicht widerstehen, und versuchte in den wenigen Tagen, so viel wie möglich des Landes, seiner Kultur, seiner Menschen und Gebräuche kennenzulernen und den ein oder anderen Schatz zu heben, das ein oder andere Motiv zu konservieren. Ich streifte über Basare, suchte die heiligen Stätten auf, sprach mit möglichst unterschiedlichen Menschen und wagte mich auch abseits der üblichen Wege in Hinterhöfe, auf Dächer und ins nahegelegene Grenzgebiet zwischen Usbekistan und Tadschikistan.

Sehnsuchtsort Samarkand

Als ich in den Tagen vor meiner Abreise die Menschen um mich herum frage, wer bereits einmal in Samarkand war, gibt es wenige, die spontan nicken. Wo liegt das noch gleich? Welches Märchen erzählt von diesem Reich? Tatsächlich ist es kein Reich, sondern eine Vier-Millionen-Stadt in Usbekistan, und damit die zweitgrößte nach der Hauptstadt Taschkent. Während Taschkent bei dem tragischen Erdbeben 1966 fast vollständig wiederaufgebaut werden musste und so für seine Mischung aus moderner und sowjetischer Architektur bekannt ist, ist Samarkand eine wilde Mischung aus den Jahrhunderten mit weltweit berühmten historischen Städten: Moscheen und Koranschulen, Bazare und Friedhöfe und nicht zuletzt der allgegenwärtige Registan, der ehemalige Handelsplatz, als Samarkand noch Knotenpunkt auf der Großen Seidenstraße war. Während unseres Besuchs, am 18. Oktober 2023, feiert Samarkand seinen 2700+ Geburtstag, seine Gründung datiert die Forschung etwa auf 700 vor Christus.

Dem Registan-Platz nähert man sich von der Registon-Straße, und hat gleich einen guten Überblick, da der Platz tiefer liegt und nur zu dieser einen Seite offen ist. Von den anderen Seiten ist er eindrücklich eingerahmt von einem Ensemble aus drei in leuchtendem türkis und blau gebrannten Fliesen-Mosaiken reich verzierten majestätischen Prachtbauten, ihrerseits allesamt mittelalterlichen Universitäten:  mittig die Medresse Tillja-Kari, rechts davon die Medresse Scherdor und links die Medresse Ulugbek. Im Jahre 2001 wurde es in die Liste des Weltkulturerbes der UNESCO aufgenommen. Zweimal im Jahr wird auf dem Registan das große musikalische Festival “Schark taronalari” (“die Melodien Orients”) aufgeführt, zu dem Künstlerinnen aus ganz Asien zusammenkommen,  er dient als Bühne einer eindrücklichen Lasershow und allabendlich erstrahlt er in einer Lichtershow in allen Farben.

Sesam, öffne dich!

Plov war die zweite Vokabel, die wir lernten. Sie bezeichnet das usbekische Nationalgericht,  ein Schmorgericht, dem sich einzelne Restaurants widmen, allüberall sieht man Plov-Center. Dort wird die Nationalspeise als Menü serviert, mit einer Art Kefir oder Cola als Getränk, einem vielfältigen Vorspeisen-Angebot von Kimchi, über sauer-salzig eingelegte Pickles, einem großzügigen Strauß frischer Kräuter, in unserem Fall mit Dill, Thai-Basilikum, Koriander, Petersilie, Sauerampfer sowie schmackhaften Gurken, Radisechen, Tomaten und zwei, drei Stücken mildem Weißkäse, außerdem kleinere Salate und/oder Pasten und immer Schmand. “Kein Plov ohne Möhren!” hieß es als wir die Zutaten erfragten. Tatsächlich ist die Küche Usbekistan eine, in der verschiedene Einflüsse zueinander fanden, die Gewürze gemahnt an die Vergangenheit einer Seidenstraßen-Kreuzung und das Zusammenspiel von Fleisch, meist Rind, seltener Hammel oder Huhn und frischem Gemüse, verdeutlichen die Bedeutung Usbekistan als Exporteur nicht nur, aber auch von Gemüse, Getreide und Obst!

Plov basiert auf in einem speziellen Öl gegarten Reis, auf dem zuvor angebratenes Fleisch, milden Gemüse-Zwiebeln und Möhren, ergänzt um Kichererbsen, Rosinen und Gewürzen wie Kreuzkümmel, Koriander, Kurkuma, Salz und Pfeffer. Das Geheimnis aber ist das dunkle Öl, das zu gleichen Teilen aus Leinsamen, Melonenkernen, Baumwollkernen und geröstetem Sesam gewonnen wird. Dabei ergeben 4 Kg Samen nach 6-7 Stunden etwa einen Liter des Öls, das auf dem Markt in Colaflaschen angeboten wird. Natürlich hat jede Familie ihr eigenes Plov-Rezept und nicht fehlen dürfen zur Verdauung vor, während und nach Essen: Gute Gespräche, Zeit und Tee. In Samarkand übrigens voriegend grünen Tee, in Taschkent ehr schwarzer.

Man muss die Sprache auch des Feindes kennen

Wie so oft auf Reisen, lautete die häufigste Frage, woher ich käme, gefolgt von der Frage, wieviele Sprachen ich spräche. Das erinnert mich an eines meiner ersten Interviews, das ich für die Ausstellung WeltWissen. 300 Jahre Wissenschaften in Berlin führen durfte. Die Ausstellung galt als Höhepunkt des Berliner Wissenschaftsjahres 2010 und fand sich vom 24. September 2010 bis 9. Januar 2011 seinerzeit im Martin-Gropiusbau. Sie war dem wissenschaftlichen Arbeiten in Berlin gewidmet und in dessen Rahmen porträtierte ich ganz unterschiedliche Wissenschaftler:innen und ihre Projekte in den jeweiligen Institutionen, unter anderem eine Forscherin, ich erinnere mich gut, die alle Sprachen, die entlang der Seidenstraße gesprochen wurde, erforschte. Wie hoch Deutsch als Sprache im Kurs steht, das erstaunte mich, denn aktuell leben nur  etwa 10.000 Usbek:innen in Deutschland.

Das Goethe-Institut in Taschkent und der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) bemühen sich um eine gute Ausbildung mit Muttersprachler:innen und einem Kulturaustausch.  In Samarkand besuchten wir so die einzige Deutsche Schule, im Bus legte der Busfahrer immer wieder deutsche Songs auf, von Rammstein bis Tim Bendzko, und so unterschiedlich die beiden Sprachen und auch Kulturen sind, so verwoben sind die Geschichten, wenn auch häufig mit unterschiedlichen Perspektiven. So ist Samarkand ein Sehnsuchtsort für deutsche Touristen, Deutschland ein Sehnsuchtsland für ambitionierte usbekische Jugendliche, die ihre Zukunft selbst in die Hand nehmen möchten und keine Distanzen scheuen. Und während wir am 8. und 9. Mai unsere Befreiung feiern, zelebriert das usbekische Volk den Sieg des Friedens.

Vor und zürück? Better safe than sorry

Diese Werbung der usbekischen Fluggesellschaft bereitete uns bereits im Flugzeug auf den usbekischen Humor und die Rolle der Vergangenheit vor. Etwa 1700 Menschen waren aus der ganzen Welt zur UNWTO-Konferenz nach Samarkand gekommen, um über die Möglichkeiten von Nachhaltigem Tourismus zu diskutieren und die eigene Rolle als UN-Organ für die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen zu definieren. Es war wie die Suche nach ausreichend Zeit eine unmögliche Aufgabe, die Überforderung immer wieder spürbar. Eine Teilnehmerin mit einigen Jahren Usbekistan-Erfahrung fasst es zusammen mit den Worten:

Usbekistan ist super in Sachen Hospitality und Kultur, zugleich ist der Nachholbedarf in Kommunikation und Organisation eine Herausforderung!

Das Lächeln der Usbek:innen empfang uns am Flughafen und begleitete uns wie die Gastfreundschaft durch Tage und Nächte, ihre Großzügigkeit, ihr Land mit uns zu teilen scheiterte leider immer wieder an den Umständen, die uns hergebracht hatten. So blieb vieles ungesehen, unerlebt und unausgesprochen. Wieder zurück in Deutschland, frage ich mich, ob das nicht auch Teil der Taktik war: Sehnsuchtsland zu bleiben und uns erst heimreisen zu lassen, als klar war, wir würden wiederkommen. Vielleicht im Frühling, wenn das persische Frühlingsfest Nouruz im März mit dem Blühen der Gärten locken und es noch nicht zu heiß ist. Im Sommer werden hier nämlich Temperaturen bis knapp unter 50 Grad Celcius erwartet. Die traditionelle Kleidung weiß zwar vor der Hitze zu schützen, aber die allgegenwärtigen schwarzen Schafe, anders als in Deutschland, wo das schwarze Schaf die ungewollte Ausnahme übrigens, gemahnten mich bereits jetzt im Oktober immer wieder den Schatten aufzusuchen.

Und wer jetzt wissen möchte, wie es aussah, ist herzlich willkommen, sich die Galerie zur Reise nach Samarkand anzusehen.

Disclaimer
Die Reise fand auf Einladung der UNWTO und mit Unterstützung der usbekischen Botschaft Berlins statt – katta rahmat!
Mehr zur UNWTO-Konferenz.
Mehr zu den Nachhaltigkeits-Zielen der UNWTO
Mehr zum Reiseland Usbekistan

The Story behind the Picture, Zettelkasten

Zusammendenken / Zusammen denken : Gemeinschaft und/oder Gemeinsinn?

Shoegaze at Globe Theater Berlin 2021 | © Anne Seubert

Gemeinschaft scheint mal wieder eines der politischen und gesellschaftlichen Konzepte der Stunde. Es taucht nicht nur in den Selbst- und Fremdbeschreibungen von rassifizierten, diasporischen, religiösen und nicht-heteronormativen ›Communities‹ sowie von Subkulturen und Fangemeinden auf. Er findet sich in der etablierten politischen Rhetorik, in den Kommentarspalten auf Social Media und den Postings der Unternehmens-Kommunikatoren, wie etwa bei Fragestellungen von Leadership und Onboarding. Der Begriff findet sich bei den Klima-AktivistInnen genauso wie bei den Sozial-Ethikern und Gewerkschaften. Das gemein(sam)e Wohlergehen, der Common Purpose ist die Leitfigur von Sozial-UnternehmerInnen und Gemeinwohl-ÖkonomInnen, bei Fußballtrainern wie bei StiftungsgründerInnen, in der Provenienzforschung wie im World Economic Forum in Davos hoch im Kurs. Warum eigentlich? Woher rührt diese Sehnsucht nach Ent-Einzelung?

»Gemeinsinn« gegen »Lifestyle-Linke«

Figuren wie Sarah Wagenknecht bringen den »Gemeinsinn« gegen »Lifestyle-Linke« in Stellung. Worauf aber gründet sich eine kollektive Identität? Wo liegt dieser Sinn, der als Leitbild kollektiven Lebens dient? Und wie kann er eine Form annehmen, die kein Fundament exklusiver Nationalismen bildet, die eher ein- als ausschließt? In einem Seminar des Brechtforums Berlin befragten wir unter den kompetent-provozierenden Leitfragen Jasper Schagerls die Produktion kollektiver Identitäten auf ihre impliziten und expliziten Voraussetzungen hin.

Shoegaze at Globe Theater Berlin 2021 | © Anne Seubert

Entgegen einer sozialwissenschaftlichen Denktradition, die den Gemeinschaftsbegriff demjenigen der Gesellschaft gegenübergestellt und eine Entwicklungslinie von organischen Einheiten und traditionellen Kollektivierungsformen zum anonymen Gesellschaftsvertrag gezeichnet hat, wird suchten wir innerhalb des Seminars Spuren von Gemeinschaften und ihren Wesensmerkmalen. Anhand exemplarischer Texte aus der politischen Philosophie und Kulturtheorie von Immanuel Kant, Hannah Arendt, Jacques Rancière, Lauren Berlant, Sara Ahmed, Judith Butler, Silvia Federici oder  Saidiya Hartman untersuchten wir insbesondere die Reahmenbedingungen von Gemeinschaften, die sich identitären, völkischen oder universalistischen Vereinnahmungen widersetzen und in einem widerständigen Verhältnis zu hegemonialen Lebensformen stehen.

Gemeinschaft oder Community?

Fragestellungen, die uns begleiteten waren etwa: Was macht eine Gemeinschaft oder eine Community aus? Wie und durch wen wird sie begründet? Welche Affektlagen setzt sie voraus? Durch was wird sie vermittelt? Von welcher Art ist der ihr korrespondierende Gemeinsinn? Und welche politischen und ethischen Praktiken sind in sie eingelassen?

Wir spielten Szenarien durch und hangelten uns durch die Diskurse der AutorInnen, wir klärten Begriffe und fanden uns immer wieder in der besonderen Ästhetik des gemeinsamen Aufbruchs, der vereinten Kräfte, dem Charme der gemeinsamen Mission, der Unwiderstehlichkeit von Verbrüderung, von Versammeln, Teilen und Zusammengehören. Wir diskutierten die Möglichkeit eines kollektiven Werteverständnisses, die Halbwertszeit von Communities, die Rolle von Selbst- und Fremdwahrnehmung, das Momentum der Zwecklosigkeit von Gemeinschaft und die Wichtigkeit von Urteilen. Wir zogen Grenzen und verwarfen sie, wir probten Definitionen, ersetzten den Kriterien mit Bauchgefühl und erlebten immer wieder wie heterogen unser Verständnis von Gemeinschaft , wie fragil und stabil zugleich dieser Gemeinsinn, wie unantastbar und erst im Greifen, im Tun entstehende Moment des Zusammenseins möglich wird. Wir bemerkten ein ums andere Mal wie das, was nicht dazugehört, was nicht Gemeinschaft ist, was bedroht, in Frage stellt, ausgegrenzt, abgewertet und unterdrückt wird, Gemeinschaft stark oder überhaupt erst nötig macht.
Shoegaze at Globe Theater Berlin 2021 | © Anne Seubert

Wir sammelten Begrifflichkeiten und erprobten sie in verschiedenen Zeiten. In welcher Community hätte sich eine Hannah Arendt aufgehoben gefühlt, welche Crowd wäre Kant Lobby gewesen, wieviel Öffentlichkeit braucht eine Mission und wer definiert, was schlussendlich wahr?

Die Wahrheit ist der gemeinsame Boden auf dem wir stehen.

Immer, wenn Arendt in „Wahrheit und Politik“ über Wahrheit schreibt, spezifiziert sie genau, welche sie meint: his­torische, triviale Wahrheit, irgendeine, psychologische, paradoxe, reale Wahrheit, philosophische, verborgene, alte, offenkundige, relevante, rationale, machtlose, teilnahmslose, mathematische, halb-wahre, absolute und faktische Wahrheit. Da gibt es kein „die Wahrheit“, sondern nur Wahrheit in Bezug auf etwas ­bestimmtes. Die von ihr angefügten ­Adjektive transformieren das Konzept in etwas Weltliches.

Operation Reflektion

Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Was ist der Mensch? Sie klingen einfach, die vier Fragen, aus denen Immanuel Kant seine Philosophie der Aufklärung entwickelte, und sie führen zu Nummer fünf: Wie wird aus einem Einzelnen eine Gemeinschaft? Was lässt mich in der Welt zuhause fühlen?

Genau da kommt der Gemeinsinn als Ortungsorgan zwischen den Menschen ins Spiel: Er schafft die Verbindung zwischen den einzelnen Exemplaren als Beziehung zwischen zwei Äquivalenten. Er stellt sicher, dass wir Teil der Weltengemeinschaft, Teil einer Wertegemeinschaft sind, dass für uns beide selbstverständlich und damit nicht erklärungsbedürftig schön, wahr, gut und richtig ist, als Bezugspunkte in unserer heterogenen, dieses Ein-Verständnis immer wieder herausfordernde, Welt. Bourdieu, ick hör dir trappsen? Aber hallo, Bourdieus Konzepte des Habitus, des Sozialkapitals, der kleinen Unterschiede auf Grundlage eines sich kollektiv bildenden (Klassen-)Geschmacks, der jeden individuellen Gusto außer Kraft setzt, gründet genau dort. Auch Taktgefühl, Schicklichkeit und Moral knüpfen dort an.

Shoegaze at Globe Theater Berlin 2021 | © Anne Seubert

Kritisches Denken als Besuch

Wir übten uns im Kritischen Denken als Besuch im Möglichkeitsraum zwischen wünschenswerten und verantwortungsbewussten Urteilen, zwischen gefürchteten, wahrscheinlichen und wirklichen Wahrheiten. Wir luden Fakten auf ein MRT ein und gönnten uns, einzelne Absätze auf Herz und Nieren zu prüfen, ins Gegenlicht zu halten und dann doch nicht ins Regal zu stellen. Es blieb uns oft nichts anderes übrig, als zuzuhören, nachzuspüren, einzutauchen und liebgewonnene Denkmuster über Bord zu werfen. Kritik als Möglichkeit dazuzulernen, außer sich zu geraten und dort, in der Gemeinschaft anderer, heimisch zu werden.

Was lässt mich in der Welt zuhause fühlen?

oder vielleicht besser:

Wer lässt mich in der Welt zuhause fühlen?

Der Mensch als geselliges Wesen, als auf Kommunikation ausgerichtetes Geschöpf, das sich erst im Auge eines Betrachters, einer Zuhörerin, vollendet? Mit-Menschlichkeit als conditio humana? Dann wäre schön, was dir gefällt, was qua Definition auch das ist, was mir gefällt und der Boden auf dem wir beide stehen, auch wenn immer mal wieder einer aus der Reihe tanzt oder vielleicht gerade deswegen, weil eben genau dieses In-Frage-Stellen aus den eigenen Reihen, diese Gefahr, uns erst mit dem nötigen Nachdruck eint, unser Zuhause definiert und wach und wertig hält und diesen unseren so oft heute zitierten Gemeinsinn eicht.

Ciao? Sono vostro schiavo!

Von Menschen, die in einem bestimmten Kulturkreis vereint sind, wird die Bereitschaft zur Einordnung und Einhaltung definierter Umgangsformen gefordert. Wer sie missachtet, läuft Gefahr, von dieser nicht mehr als Teil derselben anerkannt zu werden. Ein eigener Gruß etwa, der wie eine Art Codewort fungiert, stärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl. Mittels seiner Kenntnis und formvollendeten ausnahmslosen Anwendung weisen sich die Grüßenden als Angehörige der Gruppe aus und grenzen sich gleichermaßen von allen anderen Menschen ab. Wir erinnerten uns an in Zeiten der Zünfte gebräuchlichen Handwerksgrüße wie „ Hui, Schütz!“ oder  die Metzger mit „Katzof!“, sowie die Anhänger verschiedener Sportarten oder Hobbies wie „Gut Holz“ für Kegler oder „Petri Heil“ für Angler, an den Hitlergruß natürlich auch und fragten uns daher durchaus kritisch nach auch im digitalen Kontext tragfähigen zeitgemäßen Konzepten von Gemeinschaften und ihren Grüßen und Erkennungsmerkmalen.  Woran würden wir uns erkennen?

Shoegaze at Globe Theater Berlin 2021 | © Anne Seubert