
Jungs waren wir mal, wären wir gern, würden wir noch lieber morgen wieder sein.
Anonym
Einisch, am’ne Morge oder am’ne Namittag z’Bern? Mani Matter, der kleine große Berner hätte vermutlich nicht so direkt die Hauptstadt ins Visier seines Gedichts oder Liedes genommen, er hätte es verstanden durch Bilder und Referenzen das Bild Berns vor dem inneren Auge seiner Zuhörerinnen entstehen zu lassen. Vermutlich auch eher ein bewohntes, belebtes, denn die Menschen waren ihm sowohl Beute seiner meist zärtlichen aber nicht minder präzisen Beobachtungen, wie Protagonisten seiner Werke.
Flick and Float

Heuer führen mich zwei Männer mit viel Ahnung durch, aber zwei Frauen mit viel Talent nach Bern: Rose Wylie ist die eine. Sie hat wenig mit Bern zu tun, aber ein Faible für Beine: Beine in Stiefeln, in Strümpfen, unter Röcken, aus Hosenbeinen hervorlugend.
Punk und Kind in einem: Sie malt Schneewittchen mit Staubwedel und das Zöpfchen von Ronaldinho.
“Der Bund”, 19. Juli 2025
Wie immer braucht es eine Weile, bis Pop-Art bei mir zieht und nicht immer klappt es. Bei Rose Wylie aber ist es schwer sich zu entziehen. Zu entwaffnend ihr Humor. ihre Selbstironie, ihr Pragmatismus. Kleines Beispiel gefällig? Viele ihrer Bilder bestehen aus mehreren Leinwand-Tableaus. Ganz einfach, weil ihr Atelier zu klein und der Zusammenbau der Bilder erst im Erdgeschoss ihres Hauses geschehen konnte. Schlafwandlerisch gelingt es ihr auch Bild und Text zu einem Ganzen zusammenzufügen, ohne das eines dem anderen die Schau stehlen würde.

Rose Wylie scheut die Farben mitnichten, auch nicht die Vielfarbigkeit und doch wirken ihre Bilder nicht schreiend bunt, ohne zu sehr um unsere Aufmerksamkeit zu buhlen, sie brauchen nicht jedes eine eigene Wand oder gar einen eigenen Raum, sie passen all in einen und doch sind sie klar Solitäre. Sind politisch, frech, anstößig, ironisch, plakativ und manchmal einfach toll.
In den Raum hören

Ganz anders die zweite Frau, die ich in Bern treffen wollte: Marisa Merz(1926–2019) . Ausrufezeichen! Marisa Merz, lese ich, war eine der führenden Figuren der italienischen Kunstszene der Nachkriegszeit und – als einzige Frau – eng mit der Bewegung der Arte Povera verbunden. Ihre poetische Kraft zeigt sich in der Zerbrechlichkeit, in den Medienbrüchen ihrer Werke. Marisa Merz weigerte sich, ihre Werke zu betiteln oder zu datieren, weil sie sich in ständigem Wandel befänden. In ihrem Atelier verwandelte sie die großen Themen Raum und Zeit mittels Zeichnung, Malerei, Bildhauerei und objets trouvés oder zufällig anwesende Materialien wie wie Aluminium, Ton, Kupfer, Nylon, Wachs und Stoff in immer wieder neue Collagen, Installationen oder Bilder. Nicht selten kommunizieren diese (scheinbar?) miteinander, kommentieren sich, stellen sich in Frage, decken oder necken sich. Kunst und Alltag kommen sich ganz nah, Hoch- und Populärkultur verflechten sich ineinander und so darf natürlich auch eine Madonna nicht fehlen:

Marisa Merz, © 2025, ProLitteris, Zurich
Bern lässt mich nur ungern ziehen, ich g’spürs. Ich verspreche wiederzukommen und dann die Manni-Matter-Tour mitzumachen und eine gute Kamera mitzubringen, denn Gott, ist dieses Städtchen fotogen und das eigentliche Kunstwerk dieser westeuropäischen Hauptstadt mit jeder Menge Wumms und Heidelberg-Charme umgeben von einer karibisch anmutenden Lagune namens Aare, die nicht aufhört zu locken, bis man sich ihrem kühlen Nass mit einem Aareschwumm ergibt. A bientôt!


