Gestern

Was ein Buch sein kann und möchte

Für R.

Deine Träume, die du nächtens notiert, aber dir nicht gemerkt hast.
Der Weg, den du gekommen bist.
Der Weg, den du gehen möchtest.
Das Wasser, das den Fluss genommen hatte, um ins Meer zu fließen, und am Berg Rast eingelegt und auf dich gewartet hatte.
Die Geschichte, die du mir auf dem Silbertablett serviert hattest, noch bevor wir uns duzten.

Das Lächeln, das seinen Anfang in der Sonne nahm und dann dem Schatten ein Halleluja abtrotzte.
Unsere Briefe.
Omas Rezepte.
Das Wetter vor 15 Jahren.
Die Liebesbriefe, die ich auf dem Flohmarkt gefunden hatte.
Meine Träume, die sich beim Aufwachen die Klinke in die Hand geben und der Realität den Kaffee ans Bett bringen.

Die Zartheit, die tags keinen Raum hat und der Regen, der sich nie gewollt fühlt.
Der Mut, der schon ewig mal auf die große Bühne wollte, aber bislang in der Hosentasche versackt ist, das angetrunkene Wegbier immerhin schon in der Hand.
Die Albernheit, die immer zuerst Feierabend macht, auch wenn die Mittagspause noch gar nicht begonnen hat.
Der Ernst der Lage, der nie zu spät kam, und trotzdem nie genug Platz hat.
Die Frage, die im Raum steht, als wären wir alle nichts als Statisten, und die uns zuweilen ihr Zeichen auf die Stirn prägt, als wüsste sie, es wäre das letzte Mal, das wir so jung zusammenkämen.

Der Platz, den du mir freihältst.
Die Kurve, die du schneidest als wäre sie Brot, in die du dich legst, so geschmeidig, als wäre Gymnastik dein Metier und Gjanduja mehr als Nachtisch.
Der Punkt, auf den du kommst, als wir der Stille Raum geben.
Das Mädchen, das mit dir ihr Schulbrot teilte und die das Geheimnis der Schramme am linken Knie kennt. Als einzige.
Die Traurigkeit, die plötzlich über Hand nimmt.

Die Reise, die immer anstand und nie stattfand.
Das Meer, das dem Horizont den blauen Teppich ausrollt und den Wellen eine gute Mutter ist.
Die Zeile, die nicht Teil des Gedichts sein wollte.
Das Gedicht, das sie auswendig kann.
Die Stille, die der Winter in sich trägt.

Die Bilder auf Halde.
Die Blätter im Salat, diese grünen, satten.
Der Appetit, den du dir aufgehoben hast.
Die Sehnsucht, die nur spanisch spricht.
Der Boden, den du suchtest für die eine Pflanze Mensch und der dir einen ganzen Garten schenkte, was sag ich einen Wald leuchtender Säulen, die die Beine von Engeln sind.

Gestern

Veränderung ist keine Entscheidung

Nächtens bist du mit der Liebe per Du.
Nächtens trägst du den Leib auf der Zunge.
Nächtens genießt du meinen Vornamen auf Ex.

Nachts drauf aber trag ich dich. Drei Gleise vor und zwei zurück, das Ticket fehlt noch, die Reiseroute aber steht: Nachtzug für einen Tag ans Meer. Trag dich bis du alleine schwimmst, bis du die Arme öffnest und das Hemd. Bis der Strand in Sicht und der Regen auf hold, bis deine Lippen sehen, was meine Augen schmecken.

Am Morgen schwimmst du in vollen Zügen in ein Telefonat, das Flucht verspricht und Schweigen erntet. Ich mag dein “gleich” zu sehr für ein “wird schon”. Zu sehr für eine “night only”-Version.
Mag sein, dass Europa zu klein, die Wettervorhersage stürmisch, das Kind noch ohne Namen und wir mehr jetzt als gleich, mehr Wirklichkeit als der Traum verträgt. Der Schaffner aber winkt durch, was da lächelt und dem Leben Beine macht.

Komm! An mich ran, aus dir heraus, rüber und runter, näher und nah, auf leisen Sohlen, tief, tiefer, am tiefsten, an mich ran und mit mir über alle Berge, was sag ich, ein paar Tage ans Meer!