Gerda

Tanze, Gerda, tanze

Tu alles was du machst, so, dass es dir gefällt!

Heute nehme ich dich an die Hand, Gerda, und zeig dir Berlin! Du, Junikind weisst, es gibt gerade Erdbeeren, auch hier an an jeder Strassenecke. Nicht so sonnenwarm, wie aus deinem Garten damals, als die Kracher am Baum noch nicht reif, der Pool in der Mitte noch nicht ganz warm, aber du zuweilen im Badeanzug. Seltene Augenblicke. Sommernachtsblinzeln. Adieu.

Meist standest du in der Küche. Hast für die Küche geerntet, eingekauft, gehamstert über Grenzen hinweg. Von dir habe ich den Wert eines ordentlichen Vorratskellers gelernt, mit Schokolade satt, Schnaps, Gemüsebrühe und händisch eingelegten Gurken. Dass Geschichten es wert sein können, mehrmals erzählt zu werden. Und Mahlzeiten mehrere Stunden Vorbereitung und Silberbesteck. Du hast mir gezeigt, wem welcher Serviettenring gehört, wann welche Tischdecke gefragt und wann welcher Kloß! Auch, dass nicht jedes Bein Rocksäume kleidet. Letzteres hat mir lange zu denken gegeben.

Du wusstest mich für Astern zu begeistern, Zirkusartisten und Tie Break, ja, für Nachmittage in kurzen Röcken dank brüllender Hitze auf Sand. Rotem Sand: Tennis hat dich 90 Jahre lang genussvoll außer Atem gebracht. Das schaffte sonst und auch nur annäherungsweise Doppelkopf. Ein Abend jeder Woche gehörte den Mädels, da musste sogar das Telefon ruhen, das dir sonst – vorzugsweise mitternächtlicher – Draht zur Welt. Welche Oma konnte man ruhigen Gewissen nachts um halb zwei anrufen, um gemütlich eine Stunde zu plauschen?

Du hast zwei Männer überlebt, Vögelchen, das du zuletzt warst. Zuletzt kamen nur mehr deine Lieblingsspeisen über deine Lippen – die Wurst jetzt konsequent ohne Brot und nur vom Lieblingsmetzger, die Schnapspralinen aus der Schweiz, Gurkensalat mit extra Dill, der Likör aus der orange-bauchigen Flasche und überhaupt wer braucht schon Vor- und Hauptspeise, wenn er Dessert haben kann? Sauce war dir immer wichtig, die vom Braten, der Ente, der Zunge, die zum Lachs oder zum Kirschenmichel und so durfte zum Zitronensorbet der Wodka nicht fehlen!

Dein Lieblingsrestaurant mit dem Südschwarzwald zu Füßen war vor dir von dannen gezogen, sie hätten dir heuer ein Sommermenü gezaubert, zart und kräftig, mit Wildschwein und Pfifferlingen, Spargel und Himbeeren, Rosenblättern und Estragon. Und Quittengelee, obwohl du das wahrscheinlich selbst mitgebracht hättest und mit einem verschmitzten Lächeln dem Wirt persönlich übergeben.
Tanze, Gerda, tanze, jetzt erst recht!

2 Gedanken zu „Tanze, Gerda, tanze“

  1. Susanne Müller sagt:

    Liebe Anne,du hast sehr schöne Worte über Tante Gerda gefunden. Ich habe erst gestern von Wortlaute erfahren. Jetzt schmökere ich noch ein bisschen weiter.
    Liebe Grüße Suse

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