Zettelkasten

“Ich hätte die Sonne damals kaufen sollen.”

Fenster Fluten | © Anne Seubert

Wenn stimmt, was Christian Boros über seine Gründe, Kunst zu kaufen, im ZEIT-Podcast “Alles Gesagt”, angibt, nämlich, dass es sein Versuch sei, sie sich anzueignen, Teil zu haben und zu werden, dann bekommt der Satz noch eine Ebene dazu: Ich hätte die Sonne damals kaufen sollen. Olafur Eliassons Werk gleichen Namens ist gemeint, das ergibt sich im Kontext, den das Gespräch liefert, und aus dem er von mir nicht gerissen werden will, im Gegenteil. Dass man Kunst kaufen kann, dass man Kunst zumindest dem Vorgang und dem damit verbundenen Rechtsverständnis kaufen kann, als könne man die Sonne kaufen und besitzen oder das Land, auf dem wir gehen, stehen, tanzen, Kinder erträumen oder verwünschen, den Blick, den ich dir zuwerfe und den du meistens fängst, oder das Verständnis, das sie aufbringen und ich oftmals nichz ausreichend zu schätzen weiss, aber hey, kaufen? Skandal!

Zuhören aber geht, dem Podcast, den Gedanken, dem Blick auf eine Welt, die nicht immer wohlgesonnen, aber gestaltbar sich einem bot, der da auszog, seine Sicht der Dinge ins Gespräch zu bringen. Einem Mann, dem unter anderem in Gestalt von Bunkern, ihrerseits Inbegriff von Lebensverneinung und Schutz des Lebens gleichermaßen, das Ermöglichen aus einem Nein heraus zum Lebensthema wurde. Nein als Möglichmacher, als Nährboden eines heute als Inside the Box-Ansatzes bekannt geworden, Nein als Ping für ein Pong, das sonst nicht entstanden wäre. Einer, der springt, auch wenn das Becken leer, einer der das Becken im Notfall auch erst noch baut. Einer, der will und wogt, weil er weiss, dass die Götter bei Fuß, der in den Apfel beißt, auch wenn er ihn erst selbst pflanzen darf, der im Nein einen Komplizen gefunden hat, eine Muse auch, und eine Rampe in ein Tun, das gesehen werden möchte.

Geliebte, Zettelkasten

Balts Nil: Vo wäge DO

“Vo wäge” übersetze ich spontan mit einem trotzigen “Von wegen!”, allerdings mit einem kleinen Zweifel in der inneren Stimme, denn es schwingt auch die Möglichkeit eines “in Sachen xyz” mit, also eine Zuschreibung statt einer Abfuhr. Das macht schon im Anlauf deutlich, was dieses kleine feine Büchlein mit sich trägt: Wege nach vorn, nach hinten, nach oben und unten und allem voran nach innendrin. Da, wo es in meiner Heimatsprache urig wird, ursprünglich, da wo die Kerne nur in Mundart richtig klingen, wo konzentriertes, und zwar im Wortsinne, weil eben auch konzentrierendes Hinhören Pflicht und unendliche Freude.

Durch Zufall entdeckt, weil der Autor, der sich die Aufgabe gestellt hat, die in Verse verpackte Weisheiten des Tao te King ins Berndütsche zu übersetzen und sich damit auf eine Reise in seine Muttersprache, die wir bei Dialekten zur Kunst, zur Kunst des Mundes erheben, begeben hat. Der eigene Mund mit Zunge und Resonanzraum und Lippen und Gaumenschlag ist wichtig, oder besser war mir wichtig beim Lesen, denn oft erst im Klang, der beim Aussprechen entsteht, erschloss ich mir der Sinn. Geschriebene Mundart hat eine Geheimsprachen-Stärke, die beim Sprechen für viele weiterhin spürbar, aber längst nicht so hermetisch. Nicht zuletzt weil Mundart selten ausgeschrieben wird. Dafür herzlichsten Dank, auch den GestalterInnen und dem Verleger Bernhard Engler, die diesem Kleinod in mittlerweile dritter Auflage ihr Können und Vertrauen schenkten.

(Vor-)gelesen um zu verstehen:

Balts Nil: Vo wäge DO, Lokwort Verlag Bern –  Zum Einlesen und Kaufen.