Gedanken

Mit den Faltern begann’s oder

Noah ist eine im Jahr der Wiedervereinigung verstorbene Frau mit drei Vornamen.

Katharina Berta Charlotte nämlich rief ihre Mutter sie und sie war weit mehr als nur Oskar’s Frau. Wie so oft starb er als Mann lange vor seiner Frau und in diesem Falle sogar bevor sie ihre Karriere beginnen konnte. Dabei war Oskar ein prägender, im wahrsten Sinne des Wortes, nur die Direktorin, das war sie.
Sie war eine bewegte und eine die bewegte. Sie packte zu und an. Und sie verweigerte sich konsequent dem Spinatanbau – welche Frau kann das schon von sich behaupten?
Sie war die erste Zoodirektorin Deutschlands: Katharina Heinroth, Frau des Verhaltensforschers Oskar Heinroth. 1897 in Breslau geboren übernahm sie 1945, da war ihr Mann gerade gestorben, den Zoologischen Garten in Berlin. Hier hatten von 4000 Tieren nur 91 das Kriegsende erlebt, es gab mehr als einiges zu retten, und mit Elan, Kreativität und Ausdauer baute Katharina den Zoo wieder auf. 1957 gab es dafür das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse.
Mit ihrem Mann teilte sie das besondere Interesse an Vögeln und der Ethologie, der vergleichenden Verhaltensforschung bei Tieren, auch Verhaltensbiologie, genannt. In diesem Zusammenhang arbeiteten sie übrigens auch mit Konrad Lorenz zusammen.

Gedanken

Langeweile

– Und wo fang ich an?
Irgendwo. In einer Ecke.

Janosch. Fang ich bei Janosch an. Janosch gefällt mir gut, mit dem fühl ich mich wohl. Aber Janosch hat Aids. C1. Gestern hatte Janosch auch noch Syphilis. Deswegen gab es 110 Millionen Einheiten Penicillin in 48 Stunden. Dann dürfe er wieder gehen.
110 Millionen Einheiten in 48 Stunden. Wie soll das gehen. Alles in Janosch rein. Mein Vorstellungsvermögen scheitert, Janosch raucht eine Zigarette in der Sonne.
Und noch eine. Wir lächeln. Und schweigen.
Später wird er nach Hause gehen.

Gabi geht heute auch. Gabi ist meine Zimmergenossin. Bett Fenster rechts. Ich bin Bett Fenster links. Uschi, Bett Mitte rechts, und ich müssen noch auf unbestimmte Zeit bleiben. Uschi ist die dritte im Zimmer. Na toll, Uschi mag ich am wenigsten. Und Uschi mag keine Kanaken. Gabi ist eine Hypochonder. Sie halluziniert von mysteriösen innerlichen Schwellungen am ganzen Körper. Gabis Mann heißt Thomas und ist Geologe.
Und Janosch. Janosch hat Aids und Janosch ist wichtig, sagt er. Janosch heißt eigentlich Jan. Er hat einen Freund, der ist Augenarzt in der Charité. Sie sind ein schwules Paar in Berlin. Seit 7 Jahren ist Janosch positiv. Damals war er 16.
Er hat wunderschöne Turnschuhe.

Ein paar Tage später, allein mit Uschi fiel mir die Decke dann doch auf den Kopf. Heimlich schlich ich in die nächstbeste Telefonzelle, den Zettel mit Janoschs Telefonnummer in der linken Hand. Eigentlich kannte ich die Nummer bereits auswendig, aber egal. Es war seine Dienstnummer und ich landete dementsprechend bei seiner Sekretärin. Ich weiß ihren Namen heute nicht mehr, ich weiß nur noch, ich meldete mich mit Frau Langeweile. Sie fragte nur einmal nach und verband mich, als ich bestätigend wiederholte, ich hieße Frau Langeweile, mit Janosch. Auch seinen Nachnamen weiß ich nicht mehr. Aber wir lachten zusammen am Telefon, das hab ich heute noch im Ohr.