Gelage

Junger Elefant zum Mitreisen gesucht

© Zirkus FAHRaway | Station Zirkus

Steht im Raum (sic!), und ist doch schüchterner als wir alle zusammen, wagt sich erst ins Licht, als wir fast schon zusammenpacken, aber dann, halleluja, nimmt er euch drei auf und unter seine Fittiche, stiehlt euch die Schau und schenkt euch die Existenzberechtigung, zumindest für dieses Stück. Ich wage kaum zu atmen, als das Seil, der Ring, der Ton, das Wasser, das Stroh, der Schuh, deine Beine, der Kontrabass – aber was rede ich. Um Schweigen hattet ihr gebeten zum Schluss, verraten mögen wir nichts, neugierig machen dürfen wir aber natürlich gern. Wie gern!

elefante

Ein paar Kilo Metall, Instrumente, Holz und Wolle.
Drei Sätze. Drei Menschen. Eine Manège.
Ein Traum von einem Elefant. Ein Knäuel an Möglichkeiten. 90 Minuten

Heikel das Unterfangen, unwiderstehlich das Setting an diesem Abend im Park, die Kinder mit offenen Mündern, die Großen mit Tränen in den Augen, nicht selten vor Lachen übrigens, das Licht immer euch im Visier und schon stolpert Valentin in die nächste Pointe, lässt sich fallen in die Zärtlichkeit der Situation, die von Sehnsucht gespeist, von Mitgefühl auch, und getragen von einer gemeinsamen Mission des zentral im Raum stehenden Elefanten ohne Namen, ohne Körper, kollektive unausgesprochene Nostalgie.

Zirkus steht auf eurem Wagen, euch ins Gesicht geschrieben und auf den Plakaten in der Stadt. Zirkus wie annodazumal, aus nichts alles machen, für eine gute Stunde der Welt sowie sie ist zu der zu verhelfen, die sie auch gerne wäre, aber sie kommt so selten dazu. Hier aber darf die Welt Kind sein, darf staunen und nachher gibts auch einen Crêpe mit Bier und das gute Gefühl , Teil von etwas gewesen zu sein, dass zugleich Spektakel und federliecht lieslig würde Stiller Has Endo es vermutlich betiteln, zutiefst poetisch und grob zusammengezimmert.

Betreten nur in Gummstiefeln, möchte man Gästen zurufen! Oh, und obgleich ab 6 Jahren doch eigentlich für Erwachsene mindestens so sehr.  Merci bien, liebe FAHRaways, kommt ruhig mal wieder näher!


Gelage, The Story behind the Picture

Einisch im Bellevue z’Bern? Heuer Jung & Kunst!

Jungs waren wir mal, wären wir gern, würden wir noch lieber morgen wieder sein.
Anonym

Einisch, am’ne Morge oder am’ne Namittag z’Bern? Mani Matter, der kleine große Berner hätte vermutlich nicht so direkt die Hauptstadt ins Visier seines Gedichts oder Liedes genommen, er hätte es verstanden durch Bilder und Referenzen das Bild Berns vor dem inneren Auge seiner Zuhörerinnen entstehen zu lassen. Vermutlich auch eher ein bewohntes, belebtes, denn die Menschen waren ihm sowohl Beute seiner meist zärtlichen aber nicht minder präzisen Beobachtungen, wie Protagonisten seiner Werke.

Flick and Float

Rose Wylie, RW Party Clothes (Rose Wylie), 2016, Öl auf Leinwand, 183 × 167 cm, Mr Luke Oxlade & Mrs Louisa Oxlade, Foto: Soon-Hak Kwon, © Rose Wylie Courtesy the artist, Photograph courtesy of Jari Lager

Heuer führen mich zwei Männer mit viel Ahnung durch, aber zwei Frauen mit viel Talent nach Bern: Rose Wylie ist die eine. Sie hat wenig mit Bern zu tun, aber ein Faible für Beine: Beine in Stiefeln, in Strümpfen, unter Röcken, aus Hosenbeinen hervorlugend.

Punk und Kind in einem: Sie malt Schneewittchen mit Staubwedel und das Zöpfchen von Ronaldinho.
“Der Bund”, 19. Juli 2025

Wie immer braucht es eine Weile, bis Pop-Art bei mir zieht und nicht immer klappt es. Bei Rose Wylie aber ist es schwer sich zu entziehen. Zu entwaffnend ihr Humor. ihre Selbstironie, ihr Pragmatismus. Kleines Beispiel gefällig? Viele ihrer Bilder bestehen aus mehreren Leinwand-Tableaus. Ganz einfach, weil ihr Atelier zu klein und der Zusammenbau der Bilder erst im Erdgeschoss ihres Hauses geschehen konnte.  Schlafwandlerisch gelingt es ihr auch Bild und Text zu einem Ganzen zusammenzufügen, ohne das eines dem anderen die Schau stehlen würde.

Rose Wylie, Dinner Outside, 2024, Öl auf Leinwand, 183 × 328 cm, zwei Teile, © Rose Wylie, Courtesy the artist and and David Zwirner, Foto: Jack Hems

Rose Wylie scheut die Farben mitnichten, auch nicht die Vielfarbigkeit und doch wirken ihre Bilder nicht schreiend bunt,  ohne zu sehr um unsere Aufmerksamkeit zu buhlen, sie brauchen nicht jedes eine eigene Wand oder gar einen eigenen Raum, sie passen all in einen und doch sind sie klar Solitäre. Sind politisch, frech, anstößig, ironisch, plakativ und manchmal einfach toll.

In den Raum hören

Marisa Merz, Ohne Titel, o. J., Mischtechnik auf grauem Presskarton, 101 × 705 × 0,3 cm, Merz Collection, Foto: Renato Ghiazza, © 2025, ProLitteris, Zurich

Ganz anders die zweite Frau, die ich in Bern treffen wollte: Marisa Merz(1926–2019) . Ausrufezeichen! Marisa Merz, lese ich, war eine der führenden Figuren der italienischen Kunstszene der Nachkriegszeit und – als einzige Frau – eng mit der Bewegung der Arte Povera verbunden. Ihre poetische Kraft zeigt sich in der Zerbrechlichkeit, in den Medienbrüchen ihrer Werke. Marisa Merz weigerte sich, ihre Werke zu betiteln oder zu datieren, weil sie sich in ständigem Wandel befänden. In ihrem Atelier verwandelte sie die großen Themen Raum und Zeit mittels Zeichnung, Malerei, Bildhauerei und objets trouvés oder zufällig anwesende Materialien wie wie Aluminium, Ton, Kupfer, Nylon, Wachs und Stoff in immer wieder neue Collagen, Installationen oder Bilder. Nicht selten kommunizieren diese (scheinbar?) miteinander, kommentieren sich, stellen sich in Frage, decken oder necken sich. Kunst und Alltag kommen sich ganz nah, Hoch- und Populärkultur verflechten sich ineinander und so darf natürlich auch eine Madonna nicht fehlen:

Madonna di marte, o. J. Mischtechnik auf Papier, 48,5 × 45 × 0,6 cm, Bernier Eliades Gallery, Athens, Foto: Boris Kirpotin
Marisa Merz, © 2025, ProLitteris, Zurich

Bern lässt mich nur ungern ziehen, ich g’spürs. Ich verspreche wiederzukommen und dann die Manni-Matter-Tour mitzumachen und eine gute Kamera mitzubringen, denn Gott, ist dieses Städtchen fotogen und das eigentliche Kunstwerk dieser westeuropäischen Hauptstadt mit jeder Menge Wumms und Heidelberg-Charme umgeben von einer karibisch anmutenden Lagune namens Aare, die nicht aufhört zu locken, bis man sich ihrem kühlen Nass mit einem Aareschwumm ergibt. A bientôt!