Gerede

Palomas Beautycase

Mittlerweile ist Heinz berentet, an einem seiner letzten Tage hat er mir gestanden, dass er mich vermissen würde und ich versprach, an seinem letzten Tag da zu sein.
Meine Gesundheit kam mir dazwischen und so konnte ich ihn zum Abschied nicht umarmen, wie er es sich gewünscht hatte. Unter verlegenem Kichern und der Versicherung, es wäre niemals nicht anzüglich gemeint. Das sei nicht sein Stil.
Ich hätte ihn gern umarmt.
Heute wird er wieder Preise eingeheimst haben für seine Models. Er hat mir noch ein paar Tricks verraten. Wie man sie frisieren muss, um ihr Federkleid erstrahlen zu lassen, um die unterschiedenen Grautöne herauszuarbeiten. Den Schimmer erreicht man nur mit entsprechenden Nahrungsergänzungsmitteln im Bereich Vitamine und Minerale.

Wie beim Bodybuilder wird die Nahrung entsprechend dem Showkalender variiert, so dass der Mädels Federn sich glatt glänzend um ihren Leib schmiegen. Die Jury prüft nicht nur mit den Augen nämlich, die legt auch schon mal Hand an und trotzdem bleibt der erste Blick entscheidend. Daher ist es wichtig, dass die sie sich von ihrer besten Seite präsentieren, nicht etwa aufgeplusterten Hinterns sondern, diskreten Charme ausstrahlend, aufrecht und gelassen.

Beruhigungsmittel gebe er ihnen aber nicht, versichert Heinz mir hastig. Auch keinen Alkohol. Ich hake nach, und er führt aus, dass es wie bei allen Models, auch bei seinen ums Bein geht. Das muss nun nicht unbedingt besonders lang sein, schlank ist aber kein Nachteil. Aber allem voran muss es rot glänzen. Und das erreiche man bekanntermaßen mit Alkoholeinreibungen. Er staunt ob meines Unwissens. Ich wage nicht nach Branntwein zu fragen und er fährt fort, dass er diesen Effekt mittels Öl erreiche. Normales Salatöl, lieber Sonnenblumen als Oliven.

Gerede

Small Talk

Sie lachen auch noch freundlich als ich Sie bereits bei der Begrüßung unabsichtlich doch ebenso unverzeihlich übergehe, als mitgereistes Anhängsel nur betrachte, und machen mich schmunzelnd und nach ihrer Mappe greifend darauf aufmerksam. Schon da hätte ich einen guten Grund gehabt, meine Wangen anzuröten. Wir verlieren uns aus den Augen und ich werde mich später erinnern, dass wir bereits telefoniert hatten und dass ich mir den Körper zur Stimme um Jahre älter, gesetzter und distinguierter vorgestellt hatte.
Den Dialekt, den Sie sprechen, mag ich nicht, aber Ihnen wird er verziehen. Nicht etwa, wie man vielleicht meinen könnte, aufgrund der Farbe Ihrer Augen, die kenne ich nicht einmal, vielmehr aufgrund des zu fehlen begonnen habenden Haupthaars. Sagen Sie es nicht weiter, bitte.

Die anderen Teilnehmer drängen sich mittlerweile um und zwischen uns und erst viel später werde ich mir Ihren Vortrag kopieren. Sie lachen selbst während ihrer Präsentation, ohne dadurch Autorität zu verlieren, das beneide ich sehr. Ich hoffe, Sie merken es nicht. Sie sind hier sehr gefragt, vielleicht etwas weniger als anderes noch, und gesellig und wir treffen uns oft am Buffet, tagsüber zum Kaffee meistens aber dann auch abends, als der Tisch sich fast biegt unter den Braten und Salaten, den Schüsseln und Platten, gefüllt mit obszön leckeren Cremes. Danach wird noch Wein und Kaffee gereicht, nur weit nach Mitternacht hilft das unserer Verdauung auch schon nicht mehr weiter. Ich verliere Sie aus den Augen.
Der nächste Tag wird dementsprechend hart für uns alle und ich lächle die verschlafenen Blicke hinweg, die eigenen ebenso wie die der anderen. Morgens bleibt der Raum leer und Sie sitzen zufällig nur unweit entfernt, so dass mein raumprüfender Blick auf Ihre Füße fällt, die gerade im Umzug begriffen. So trägt der linke noch den Sportschuh, während der rechte bereits in helles Leder gehüllt. Ich wende mich ab um zu grinsen und als ich einen erneuten Blick wage, sind beide Füße beledert und die Sportschuhe hinter Tchibo-Plastik verborgen.
Sie hatten verschlafen, werden Sie mir nachher gestehen, und deshalb nur wenige Minuten heute morgen. Ein Grund mehr, Sie zu mögen.

Nach dem Finale, das weniger furios als erwartet ausfällt – die Erkenntnisse blieben überschaubar -, gehören Sie zu der Runde, die noch semiprofessionell Biertrinken geht. Ich erfahre mehr von Ihnen und Ihren Forschungen, die Sie um die ganze Welt treiben. Ich erfahre nicht nur Ihr Alter und Ihren beruflichen Werdegang, nein, während Sie mit Ihren Abenteuern den Tisch unterhalten, verraten Sie mir nebenbei noch Ihr Lächeln und Ihre Begeisterung für Ironie und Understatement. Fünf Minuten vor dem allgemeinen Aufbruch dann doch noch die erste Berührung, Ihre Hand auf meiner, Blickkontakt: Das „Sie“ nerve Sie nun doch und ob wir nicht Du zueinander sagen wollten.