Einst war alle Malerei zweidimensional, man kann es sich heute kaum mehr vorstellen. Rosarote Putten hingen schwer- und zusammenhanglos inmitten goldenen Hintergrunds. Alles war nah und die Welt eine Scheibe. Häuser hatten einzig eine Vorderansicht, vorzugsweise die mit der Tür, Menschen gingen in der bildenden Kunst höchstens in die Breite, nie aber in die Tiefe.
Heute hingegen sucht der Fotograf nach Tiefenschärfe und findet sie zuweilen am Regler seines Objektivs – auch hier ein kleiner aber feiner Unterschied, entstanden durch die drei Buchstaben IVS. Zuweilen findet er sie auch nicht.
Doch eines schönen Jahres, so genau nahm man es noch nicht, bündelten sich die Geraden, suchten Begegnungen und fanden sie in einem Punkt. Meist relativ zentral, d.h. nahe der Bildmitte gelegen, zog er sie alle in seinen Bann. Seine Attraktivität wuchs mit der Komplexität des Dargestellten, er war Kummerkasten, Anker und Strippenzieher in einem. Und er bekam sie nahezu alle. Ein Punkt für alle Fälle, für die nach hinten wegstrebenden, wie für die nach vorne drängenden, ja sogar für die sich gen Ewigkeit ziehenden Straßen und Treppen.
Jedenfalls in der dritten Dimension, denn die Geraden, wie übrigens auch die Krummen, der ersten und zweiten Dimension blieben seltsam unberührt von seiner Prominenz, verharrten stattdessen in ihren Parallelen, bildeten Kreise, zeigten ins Leere. Kurz, sie verweigerten ihm stolz den Handkuss, gewährten ihm gnädig eine Messerspitze ihrer Aufmerksamkeit und schlugen dann doch ihre Kurven fernab seines Bannkreises. Er ließ sich natürlich nichts anmerken, bezirzte weiterhin die Damen der dritten, flirtete mit ein paar Parallelogrammen in Architekturskizzen und trotzdem oder gerade deshalb entstand, man weiß heute mehr als genug von Gruppendynamiken, eine seltsame Spannung. Die Bilder begannen zu leben, die Figuren hatten plötzlich Verhältnisse, die Linien folgten ungeschriebenen Gesetzen und manche brachen sie mit einer Lässigkeit, die das Papier Wellen schlagen ließ.
Wenn es auch heute bereits wieder etwas steif anmutet und der Fluchtpunkt zuweilen zum belächelten Dandy verkommt und nurmehr Architekten und Kunstlehrern seine Flagge hochhalten: Es war eine Revolution. Die Revolution des Fluchtpunkts.
Heute flucht Heinz eher Pünktchen und Anton, als dass er das Wort Fluchtpunkt in den Mund nähme. Aber nach einem Wochenende im Showbiz hält die Stadt ihm seinen individuell gefertigten dankenswerterweise stets bereit.