30 in Raten, in Filmrollen, in Kussszenen, in Westernhelden. Nur 24 davon am heutigen und wohl auch am morgigen. Den Fuß in Wolle gehüllt, in kieselsteinfarbene. Das Knie darüber schmückt deine Boxershorts.
Jeder: ein Körper, ein zahnendes Zehenrad, ein zutzelnder Schotbruch am Weltfrauentag. Jeder: ein Schmeckender ohne Kochbuch, ein Schreiberling bar Muttersprache.
Und ich sage hei. Hei, gut, dich zu hören, am andern Ende. Nur so nüchtern, so sachlich die Worte, so überfrachtet mit Information, dass kein Platz mehr für sprachliches, emotionales Engagement bliebe. Minuten, abgezählt und in Themen aufgeteilt lassen keinen Raum für zweifelndes Lächelnd, für schweigende Zärtlichkeit, für nostalgisches Murmeln.
Gut auch, deine Worte zu lesen. Nacht für Nacht neue Inhalte in alte Worte gepresst. Funken ohne Feuer ohne Welt ohne Leidenschaft. Gut, über die Flächen Nachricht zu erhalten, schade um die Kanten, die gekürzten. Die Falten der Angst vermisst, den schüchternen Zwiebelatem und die suchenden Lippen. Die wärmenden Hände erst.
Gut schließlich, von den Fortschritten zu wissen, von geleerten Gläsern und bestellten Nachspeisen. Gut, dass es Stimmproben gibt, die die wimmernde Sehnsucht zu filtern im Stande. Gut, dass keine Frage auf die Nerven abzielt, keine auf das Danach oder Dahinter, dass Dekolleté oder langes Bein ausreichen, die Aufmerksamkeit zu fesseln. Gut, dass (Ab- und Bau-) Gründe nicht gefragt sind beim Erstgespräch.
Gerede
Das Beste am Frühling bleibt der Herbst
Das Gefühl, sich entschuldigen zu müssen, schämen, für das, was man tut bei all dem, was möglich wäre.
Das Gefühl, die Augen auf ewig geöffnet halten zu müssen, für das, was ungesehen bliebe schlösse man die Lider für eine Mütze Schlaf.
Das Gefühl, die Haare offen tragen zu müssen, als Zeichen der Ungezähmtheit.
Das Gefühl, schweigen, die Worte allesamt ad acta legen zu müssen für das Geplapper, das hinter jedem Lächeln lauert.
Das Gefühl, Tschechisch lernen zu wollen, Maltesisch, um eine Sprache für den Frühling parat zu haben.
Das Gefühl auch, alt werden zu sollen, Sehschwäche inklusive und Inkontinenz, möglichst schnell Falten en masse anzubauen, angesichts der übermächtigen Jugend.
Das Gefühl: Reiz überflutet, vollgefressen, und mächtig wie nie – la peur:
Mein Grund morgens aufzustehen.
Mein Grund das Pausenbrot zu schmieren.
Mein Grund für die Anfertigung der To-Do-Liste.
Mein Grund für den Kaffee zwischendurch.
Mein Grund für die Zweisamkeit am Nachmittag.
Mein Grund für den Sport nach Feierabend.
Mein Grund für den Kleiderkauf.
Für das strahlende Lächeln.
Für die Sehnsucht nach Friedsamkeit.
Für die Ruhelosigkeit auch.
Für den Trotz erst recht und für die Disziplin.
Für die in ihrer Intensität immer wieder absurd anmutendenden Bemühungen um Kommunikation.
Mein Grund für das raumgreifende Lachen.
Für den unstillbaren Hunger.
Für die Neugier und die Lust auf alles mögliche.
Und für die Einsamkeit.