Hinter der Tür ein Haus ohne Wände, ohne Lichtarchitektur. Hinter dem Ohr eine Stimme ohne Sprache. Hinterland.
Du öffnest die Tür und weißt sofort um jedes Detail. Vergangenheit wie Gegenwart, nur die Zukunft hält sich anfangs bedeckt, aber nicht lange. Du atmest Worte, überfrachtet mit Bedeutungen, ein und niest was das Zeug hält falsche Ebenen aus. Die Schiefen, aus Nostalgiegründen, allerdings hältst Du zurück. Zu viel Wasser hinabgeflossen, in Flüsse die heute Gegenwarten speisen, fern Deines Lebens, aber deswegen ja nicht weniger relevant.
Du reist ungern zurück, öffnest ungern Türe ohne Schloss und am Unangenehmsten an der Situation ist Dir die Luft, die schon vor der Tür breiig, hinter der Tür allerdings regelrecht zäh sich um dich schmiegt. Aufdringlich fast Deine Poren bedrängend, Du willst Dich verschließen, die Tür wieder öffnen, von hinten nun, um nach vorne zu entkommen.
Dass die Tür nunmehr jeglichen Griffs entbehrt und somit von dieser Seite aus nicht zu öffnen ist, wundert Dich wenig, vielmehr erstaunt Dich ihre konstante Existenz.
Es bleibt, neben dem Pathos, der halbherzige Regen, der nicht durch Geräusche sondern durch seinen die Dich umgebende Luft, unangenehm wie selten etwas, durchdringenden Geruch. Süßlich-modernd und Berührung verbietend. Du hättest trotzdem gerne einen Schluck.
Leere, durstig mit einer Gier die Ozeane fordert.
Leere, mit des Esels Beharrlichkeit ausgestattet.
Leere, die Kurven der de Saint Phalle geifernd imitierend.
Und Du sagst Dir, auch wenn Du lieber gingest, wirst Du noch einige Minuten bleiben. Du weißt um die Lüge in diesen Worten, denn Du bleibst ja nicht freiwillig. Du siehst Dich um und die nichtexistierenden Wände schauen weg. Die Leblosigkeit des Raumes erscheint logisch und fruchtbar und Du beginnst zu träumen. Raumfüllende Träume mit ausschweifender Ausstattung vom Detailreichtum eine Breughel nicht weit entfernt. Du plünderst Deine Kindheit, Deine Sehnsüchte, Deine Erfahrungen gleichermaßen und legst Dir einen Weg durch die wandlosen Zimmer aus nichtabgeschickten Briefen, abwechselnd zwischen Reklamationsschreiben und Liebesbriefen. Die larmoyanten sortierst Du sorgfältig aus, Stolpern wäre ungeschickt in dieser Situation. Durch die halterlosen obszöne, pink-blau-gestreiften Saloon-Tür-Flügel erreichst Du das Treppenhaus. Du hättest lieber einen Paternoster vorgefunden, aber schon der Anblick der einzelnen durch Schattenfälle abgesetzten Treppenstufen beruhigt Dich.
Leere, alles sie Umgebende vereinnahmend magnetisierend.
Leere, rein und um ihre Unschuld stets offensiv bedacht.
Leere, ubiquitär und von einer selten beobachteten Wehmut.
Du nimmst die ersten Stufen auf dem linken Bein abwärts hüpfend und wirst Dir dabei Deines unmotiviert baumelnden dritten Arms bewusst. Die Luft wird dichter, so das noch möglich, und zahnschmelzend heiß. Du weißt um das im Hintergrund tickende Ultimatum, doch Dein Einfluss ist auf Diät. Du läst jeden zweiten Atemzug aus und besinnst Dich auf das vor dem Eintritt unterschriebene Manifest zur Fülle.
Dass Du trotzdem fällst, hat wohl mit Deiner mangelnden Begeisterung für Multitasking und Deiner Schwierigkeit Dich zwischen dem linken und dem rechten Bein zu entscheiden zu tun.
Jedenfalls ist dieser Sturz der Finger am Arm dessen Drahtziehers, der Dir vermittels des eintretenden Schmerzes die Tür mit einer Klinke versieht. Du darfst sie nur wimmernd umfassen und erst beim ausgestoßenen Fluch öffnet sich die Tür quietschend und entlässt Dich nicht für immer, schon gar nicht für ewig, aber doch für eine halbe Stunde aus Deinem Alb geträumten.
Leere, die offen ihre Bedürfnisse äußert: Mehr Schatten.
Leere, die ungeschält zwiebeligen Mundgeruch ausströmt.
Leere, mit dem zahnzückenden Lächeln einer Werbepause.
T.M. sagt:
Das mit dem dritten Arm klingt höchst interessant. Ähm … wo ist der nochmal genau angebracht?
P.S.: Ich hab ein drittes Auge. (nach hinten!)
kopffuessler sagt:
Das ist nicht definitiv zu beantworten, man berichtete mir vom Nacken ebenso wie von der linken Kniekehle als Verortung der dritten Schulter.
P.S.: zeigen!