Gestern

Der Engelmacher

Schutzengel schnitzt er und solche die es werden wollen. Jeder bekommt ein Lächeln, einen Heiligenschein und einen individuell auf sein Gewand abgestimmten Blumenstrauß in die Hand gemalt. Nebenbei sammelt er jüdische Friedhöfe auf polnischem Grund. Er erkennt sie an der Gründereiche und zeigt in der Dorfkneipe stumm und stolz seine Sammelmappe. Handbeschriftete überbelichtete Fotos von zerbrochenen Grabsteinen, die an Gleisböschungen lehnen.

Der Dorfjugend ist seine Anwesenheit eher unangenehm, sie fürchten um ihr Bier, das im Schatten der umgestürzten Grabsteine lagert. Dem Dorfwirt ist er auch ohne Polnischkenntnisse willkommen. Auf den Landstraßen der Rückfahrt trägt er den gefundenen und abgemessenen Friedhof in seine Mappe und kreiert den nächsten Engel. Die Messer warteten stets in Berlin auf ihn, sagt er und schenkt Prosecco nach.

Das Sofa in seinem Laden biegt sich unter meiner und der Last der gestapelten Sammelmappen. Kennen Sie sich mit der Altersbestimmung bei Eichen aus, fragt er, es wäre so praktisch an ihnen ablesen zu können, wann der Friedhof gegründet wurde? Er erwartet keine Antwort, bittet nur, man möge ihm das nächste Paar Engelflügel reichen, die blauen bitte, und dann den Bindfaden. Und schon baumelt der nächste an der Leine.

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