Über den Wolken ist das Wetter immer gut. Wäre ich aber ein Vogel, tanzte ich im Gewitter. Das singt 2024 nicht Reinhard Mey, sondern die 24jährige Zaho de Sagazon in ihrer symphonie des éclairs. Und sie singt es auf französisch:
Il fait toujours beau
au dessus des nuages
Mais moi si j’étais un oiseau
j’irais danser sous l’orage…
Aber natürlich ist da die Referenz und sie kommt ja nicht von ungefähr, denn Reinhard Mey, der den Passus Über den Wolken bereits damals in unser kollektives Sprachbewusstsein implementiert hat, prägte in der Folge sowohl Deutschland wie Frankreich mit seinen Liedern und Chansons, seinem poetisch-verschobenen Blick auf die Welt. Anders als de Sagazon hat er meines Wissens nie getanzt auf der Bühne, seine Auftritte eher minimalistisch: Mann mit Gitarre. Sie aber tanzt und sprudelt, flüstert und springt, hüpft und wirbelt. Denn bei aller Melancholie, bei aller Vulnerabilität, die durchaus in den den Texten steckt, will sie ihr Publikum nicht in Betroffenheit verharrt wissen, sondern auf der Tanzfläche vereint.
Wie bei Reinh(e)ard Mey ist das Chanson de Sagazans Musikmedium, ihr Mittel der Wahl, und sie interpretiert es so 2024 wie nur geht: Das Piano ist das einzige erkennbare Instrument auf der Bühne, die zwei anderen Musiker, die sie auf ihrer Tour begleiten nutzen die Klaviatur der elektronischen Erzeugungsmethoden inklusive Performance. Reinhard Mey ist trotzdem präsent für mich. Der Trotz, sich nicht auf altherbekannten Ausdrucksformen beschränken zu lassen, sondern eigene Ausdrücke zu finden, neue Bilder zu evozieren und sich nicht in Schubladen einsortieren lassen, und gerade deswegen Erfolg im Sinne des Berührens und in Bewegungbringens zu haben.
Die Startbahn 03 aber gehört Reinhard Mey, bis hier her hörte er die Motoren. Oliver Wurm und Thilo Komma-Pöllath haben dem Liedermacher und – Interpreten zum 50jährigen “Über den Wolken”-Jubiläum ein Ständchen geschrieben, und versucht, den Mann hinter dem Manifest des Abhebens und Rauszoomens, gerecht zu werden, indem sie die Antworten zu ihren Fragen an ihn, in seinen anderen Liedtexten ausfindig zu machen.
Ein Coup mit Charme, der gelingt, weil der Troubadour Reinhard Mey in seinen Liedern auf eben auch von seinem Leben erzählt hat, mal in großen Bögen, mal ganz im Detail. 60 Alben and counting umfasst das Werk Stand heute übrigens. “Über den Wolken” stieg als LP am 15. April 1974 in die deutschen Charts ein, ist seither nicht mehr wegzudenken aus dem deutsprachigen Liederkanon, und machte nicht zuletzt das Wort Luftaufsichtsbaracke salonfähig, das es so eigentlich gar nicht gibt.
3-2-1, einfach Abheben in diesen Raum über den Wolken des Alltags, wer wünscht sich das nicht immer mal wieder, gerade jetzt, und nicht wenigen gelingt es mit Hilfe von Musik, von Texten, die von Liedermacherinnen und Poeten, von Musikerinnen und Interpreten auf tönenden (sic!) Füßen gestellt werden und uns für 3-4 Minuten verlässlich aus der Realität befreien, im Live-Konzert immer noch am verlässlichsten, mit Walkman oder Stereo-Anlage aber dankbarerweise mittlerweile auch auf Knopfdruck, wenn es mal wieder nötig wird und das nächste Konzert noch ein paar Tage hin.
Daher Danke euch, Thilo und Oliver, danke Zaho de Sagazon, ich bin so gespannt, was sie noch entwickeln wird, mit ihren gerade mal 24 Jahren, da ist ja noch so viel Raum und Zeit und Verve, und danke natürlich Reinhard Mey, der mit Über den Wolken sicher eine der meistgehörten Fluchtanleitungen verfasste. Und jetzt, Laptop aus, Musik an und ran ans Tanzen und Träumen!