Gedanken

Arteriendehnung statt Alternativprogramm

Die Arbeitswoche zerrt die Arme aus den Schultern, saugt jegliches Tröpfchen Sprachgefühl aus dem immer trockener werdenden Rachen, der stete Druck reißt die Lebensmitte(l) aus Adern, die längst Umwege um die Röhrenknochen legten um den drängenden Schmerzen auszuweichen. Die Schulterblätter geben ihr Bestes den Brustkorb schützend zu bedecken, umsonst, und doch auf Kosten des Nackens, der Arme, des Rückens, die Schutz ebenso bedürften und um Vergeltung fluchen. Die linke Seite scheint doppelt bemüht, zumindest brennt dort die Pein wie frisch gedüngt. Umsonst. Die 17,5 Stunden Wochenenden reichen nicht mehr aus, aufzutanken, aufzufüllen mir Wortwärme, mit emotionalem Balsam, mit seelischen Knuspermüsli. Sonntagabend bleibt stets nurmehr der viel zu tiefe Griff in Schokoladentafeln um wenigstens oberflächlich die verheerende Leere zum Schweigen zu bringen.

Verzerrte Galabildchen stürmen die einst liebgewonnen Traumzeiten, die Angst vor dem Montag hat ungeahnte Höhen erklommen. Und doch wird weitergesiebt, gestellt, gestapelt, auf dass der Turm beim Einsturz Staub aufwirble. Anfang und Ende sind gleich gefürchtet, Identitäten im Dreierpack gekauft und der Wahnsinn nicht mehr nur mit Stäbchen, sondern tagtäglich mit dem Suppenlöffel eingenommen. Die Durchhalteparole – mehrmals zu oft proklamiert – ist der Lächerlichkeit preisgegeben, wie so vieles: fünf sind sechs zu viel, Persönlichkeit ist fehl am Platze. Eine Pause wäre zu teuer, keine zerstörend und wieder wird das Andere, das Private auf in drei Wochen vertröstet, dann aber richtig. Man möchte aufstehen und gehen, wenn man nur wüsste wohin. Man möchte in Arme flüchten, wirkliche Arme mit rauen Ellbogen und reichlich wärmendem Fett beideseits davon und schreit allein beim Gedanken an die Berührung auf vor Schmerz. Man möchte liegen bleiben und geht vorsorglich nicht mehr zu Bett.

Gedanken

Frakturen

Aber dem ist dann doch nicht so und wenn man wartet, warten meist auch zwei Zehen vergeblich auf ihren täglichen Auslauf. Dackelblicke nützen auch schwäbischen Beaus wenig, ist die große Zehe – rechter oder linker Fuß nimmt sich in diesem speziellen Falle meiner Erfahrung nach äußerst wenig – erst einmal missgünstig gestimmt. Verfärbt sich bereits die Nagelhaut dunkel ist Gefahr im Verzug und eine bequeme Sandale anzuprobieren und hat der Nagel bereits das Einwachsen in Angriff genommen hilft zumeist nur mehr lautsingendes Kneippen oder aber ausgiebige Whirlpool-Sessions mit Extrakten von rotwangigen Jünglingen handverlesener Kiefernnadeln um die Diva eines jeden Damenfußes zu erweichen.

Wer entscheidet über die finale Vergeblichkeit, wer gewährt die Gnade des aktiven Ausstiegs aus der Warteposition ohne eine gleichzeitige Aufgabe zu diagnostizieren, wenn nicht das eigene Oberlid. Auf Halbmast lauernd, geöffnet zum Angreifer mutiert, erklärt es geschlossen die Audienz als beendet. Ohne ein Blinzeln drei Perspektivwechsel, drei Urteile, drei Anblicke für den, der sich zu fragen erlaubt und den Blick in Hoffnung und Erwartung einer Antwort erhoben hatte. Die Zehen hatten derweil den Kontakt zur Erde zu halten, nagelfeilenfern, beschuht, umsockt, verschwitzt. Und doch: Stets der Leibesmitte um einige Zentimeter, dem Unterlid um die entscheidenden Millimeter Bewegungsfreiheit voraus.

Manchmal möchte ich ein Ellbogen sein, links – oder rechts – stets lässig mit dem Rumpf schritthaltend, wenn nicht gar ihn überholend, stets auf Tuchfühlung mit ausgewählten und zufälligen Passanten gleichermaßen. Niemals stumpf. Präsent ohne Hauptrolle, gelenkig und mit der Macht jeder Bewegung der angeschlossenen Hand zu ordentlich Spin zu verhelfen. Das Versprechen eines Schleudertraumas quasi. Quasi – ein zu Unrecht gemiedenes Wort, im Portugiesischen quase, ausgesprochen das finale E zu einem quas’ amputiert. Janusköpfig. Oft alleinstehend oder am äußersten Satzende platziert. Hinten, da wo auch der Ellbogen in die Knie geht.