Gedanken

Zwischenzeiten

Irgendwie sind Dir heute die Nuancen abhanden gekommen. Die Nuancen, die zwischen hell- und dunkelblau liegen. Und die zwischen eiskalt und lauwarm. Sogar die zwischen lecker und essbar. Nach dem zehnten entgegenkommenden Kinderwagen waren alle Kinder nur noch herzig und die zehnte Kneipe an der Du vorbei kamst, ja, auch die hatte Leckeres im Angebot. Draußen war es kalt und der Himmel grau, da waren wir uns alle sowieso einig.
Und dann bist Du auf den Friedhof geflüchtet, wo es wenigstens ein paar Blätter zum hoch wirbeln gibt und es als normal gilt, Blicken auszuweichen. Hier darfst Du Dir Tränen ins Knopfloch stecken, und mitten im Schritt innehalten. Jedes Stolpern wirkt hier erhaben und Einsamkeit ist hier fast Pflicht. Zeit wird anders bewertet und Schatten sind willkommen. Du suchst Dir Deinen Weg an der Mauer entlang bis zur Bank, die Dich ankommen lässt, Deinem Steißbein Ruhe gewährt und nur leise und diskret ächzt, wenn Du Deine Kilos fallen lässt. Nuancen gibt’s dafür zwar nicht im Tausch aber die Zeit gewinnt wieder an Tempo, Stunde um Stunde bezwingend.

Gedanken

Wackelkontakte

Wackelig war der Kontakt eigentlich immer schon. Wer ist dieses Wesen, das da in meinem Körper steckt? Und wessen Körper umhüllt so dreist meine Seele? Beiderseits herrschte Unzufriedenheit, mitunter gar Frust.
Dem Seelchen war der Körper viel zu massiv: zu laut die Stimme, zu raumgreifend der Schritt, zu breit Becken und Schultern, zu kräftig die Schenkel und zu vorwitzig die Zehen. Es fühlte sich nicht adäquat umhüllt von diesen fleischigen Schichten die es in dieser unserer Welt repräsentierten und seufzte dementsprechend bei jedem Passieren eines Spiegel in ungespielter Verzweiflung.
Umgekehrt brummelte der Körper oft über dieses hysterische Etwas, das da ständig jammerte, ewig zaghaft sich versteckte, das bei jedem Räuspern schier zusammenbrach und mit dem man einfach nicht streiten konnte. Dieses zarte, weinerliche Wesen, das da in seinem Inneren hauste, war ihm nicht geheuer, strengte ihn aber ungeheuer an. Jeden Schritt kommentierte es zweifelnd, jede Veränderung machte es wanken und jede neue Aufgabe wurde stande pedes zum Problem.
Als man sich heute jedoch unter der Dusche unwillkürlich begegnete, weil das Licht mal wieder für Sekunden ausfiel, blieben die Vorwürfe aus. Behutsame Neugierde überwog und machte ein Berühren möglich.
Möge der Kontakt wackeln, wachsen, werden: sein.