Er war ein Schlachtenbummler, Seefahrer und Haudegen auf allen Meeren, die mit der Lesebrille auf der Nase erreichbar. Etymologien, Enzyklopedien hatte er durchkreuzt, Stürme auf der Hirnrinde ebenso wie sämtlich Hochseekrankheiten durchgemacht, den Pschyrembel kannte er wie seine Westentasche, der Brockhaus lag, hochkomprimiert und die Bände ihrem Gewicht nach geordnet, direkt hinter seiner Stirn. Er wusste um Fußnotenriffs und sichere Leerzeilenhäfen, liebte Abkürzungen und Schleichwege durchs Register.
Trübe war sein Blick geworden, seine Arme plötzlich wieder länger, als auch Band 24 ausgelesen, aufgeblättert und ergeben vor ihm lag und neue Küsten rar geworden waren. Für Minuten schien er nicht mal mehr abgeneigt, sich leserfreundlicher Belletristik zu widmen oder gar neue Worte zu erfinden, raue Nordworte hätten ihn gereizt, zungenspaltend und nur seinesgleichen zu Diensten. Dann aber, ein Wink des Himmels, entdeckte er durch das Zwinkern einer Rabenmutter neuen Boden, in den er seinen Blick schlagen konnte. Dank der einmaligen und durchaus nicht freiwilligen Benutzung der Bahn nämlich, auch noch auf einer Langstrecke. Er hatte über das Wochenende an einer Konferenz in Portugal teilzunehmen und TAB streikte wie so oft bei der Ausstellung des Visas für Seeigel wie ihn, so wich er kurzentschlossen auf den Nachtzug nach Lissabon aus.
Português heißt es da und eröffnete auch ihm Kanäle jenseits bereits befahrener Meerengen. Bilinguale Koryphäen der Sprache, Sirenen der Zweisprachigkeit lockten ihn plötzlich, português-alemão et vice versa den Vorzug gebend. Zweireihige Wortschlangen balzten um sein Augenmerk, um seinen Zungenschlag, um seine Umarmung.
Prompt stürzte er sich bäuchlings auf die Lesewiesen, drückte dabei wollüstig nicht wenige Lesezeichen platt, lachte Aussprachekorrekturen hinweg und fand sich noch unentschieden ob seiner sprachlichen Prioritäten bei den Körperteilen und ihren Funktionen wieder.
Neulich, zwischen zwei Bahnhöfen, stieß ich auf einige seiner im Zug liegengelassenen Notizen, er muß viel Spaß gehabt haben:
Augapfel, schon im Deutschen metaphorisch hoch sieben, ergab im Portugiesischen menina do olho – Mädchen des Auges. Aus der im Deutschen oft als volkstümelnd empfundene Wade machen die Portugiesen den Bauch des Beins – barriga da perna. Und das Gefängis des Bauches, das uns das Gesicht schmerzhaft verziehen und zu Rizinusöl greifen lässt – prisão de ventre – beschreibt Verstopfung mehr als treffend.