Geliebte

Molluske

Der schmerzhaft sich einwärts krampfende große Zeh weckt ihn noch vor fünf Uhr morgens, dabei schlief er mittwochs gerne bis neun. In dem Versuch, den Zeh zu lockern, rutschte die Decke ihm über’s Knie – da war es endgültig aus mit Träumen jenseits der Fußsohle. Er hielt die Augen auch noch geschlossen, als er sich knieabwärts wieder unter die Decke bewegte, er tat das schließlich nicht zum ersten Mal.

Als auch der linke Fuß wieder warm, öffnete er das rechte Auge. Es war ihm eine liebe Gewohnheit geworden, stets zuerst das rechte Auge zu öffnen, bevor sich das linke, weitaus empfindsamere, wie er eines Abends feststellen durfte, dem Tageslicht stellen sollte. Er hatte damals beide Augen erst in Salzwasser getunkt und dann der Mittagssonne ausgesetzt. Das rechte hatte ihm den tropischen Cocktail nicht übel genommen, das linke aber hatte bis weit in die abendliche Dämmerung hinein leise getränt.

Die Weichheit des Kissens am Hinterkopf wissend, tastet sich das rechte Auge die Tapete der gegenüberliegenden Wand empor, bis sich das schlierige Dunkelgrau in ein tröstendes Crèmeweiß ergibt. Die Wimpern geben nur zögernd mehr Blick frei. Er seufzt probeweise, den Mund halb mit der Decke gestopft und entspannt sich ob des Ergebnisses. Es wird ein Tag wie jeder andere werden, er wird sich einige Stunden winden, einige stolpern und die letzten dreieinhalb in halbleere Gläser seufzen. Aufstehen aber so schnell nicht.

Geliebte

Tagesschau

Ich esse wieder mal zu viel. Nicht zu viel für meinen wachsenden Bauch, auch nicht zu viel für Dein Lächeln. Aber zu viel für die anderen vier Personen am Tisch, die sich auch gerne sättigen könnten.
Meine Füße stumm, mein Herz weinerlich und aus meinem linken Mundwinkel rinnt bräunlichen Bindfadens Maggiwürze aus dem Sonderangebot. Ich rücke meinen westlichen Hüftknöchel zwei Zentimeter weiter zu Dir und beiße erneut ins Brot.

Am Abend ist das Licht gnädiger, es macht den Tisch runder und Dein Knie schön. Du weißt um meine Füße und schaust diskret mir nur auf die Finger. Die liegen beidseits des Glases, brav geradeaus blickend.
Ich renne trotzdem los, der Bus muss erreichbar bleiben, das Wetter wolkenlos. Ich bete an der Ampel und drei Vaterunser später geh’ ich auf Knien über die Straße.

Morgens wüsste ich gern wovon Du sprichst, weigere mich aber standhaft die Augen zu öffnen. Stattdessen male ich mir die vergangene Nacht in Grüntönen aufs Oberlid.
Du lachst schon vor dem Tag und fürchtest weder Lob noch Tadel. Ich neide Dir vieles, doch Deinen Schnurrbart noch nie.