Geliebte

Periplus

Und du sangst in einer Gruppe, einem Jazzchor nicht unähnlich, einen englischen Song auf einer improvisierten, mehr als wackligen Bühne irgendwo im Grünen, bei dem jedes Wort mit „th“ beginnen musste und im Kontext nicht unbedingt Sinn ergab, und du lächeltest dabei verschämt ins Publikum, als ob du wüsstest, dass ich da stünde und dass wir alle, das ganze Publikum, noch nicht entschieden hätten, ob wir die Performance nun peinlich oder charmant fänden und wie wir dem Ausdruck verleihen sollten, du warst Jahre jünger und deine Bewegungen trotz der ungewohnten Situation auf einer Bühne zu stehen fließend und wäre da nicht dein Lächeln gewesen, ich weiß nicht, ob ich dich überhaupt erkannt hätte, zu neu deine Haarfarbe für mich, deine Silhouette, dein Gang, sogar deine Stimme, die ich aus dem polyphonen Sprechgesang zu extrahieren suchte, als mich dein Blick schließlich erreicht hatte und wenigstens ich wusste, dass das Dargebotene alles andere als peinlich, sondern wunderbar und rührend und dem somit überraschten und beschenkten Jubilar Freude und Ehre war, obwohl mir nicht mehr einfallen wollte, wer derjenige welcher denn nun eigentlich war und was der Anlass der Feierlichkeit, dem auch die Proseccogläser in unseren Händen geschuldet waren, mit denen wir jetzt, wo ihr im schrägsten Schlussakkord die Hälse verrenkt hattet, nicht wussten wohin, brauchten wir unsere Hände doch dringend für donnernden Applaus zur Untermalung des befreiten Gelächters und Ausdruck unserer Anerkennung von eurem Mut, eurer Phantasie und der erfolgreichen Umschiffung von Peinlichkeit gleichermaßen.
So hab ich in dieser Nacht das erste Mal geträumt von Dir.

Geliebte

Molluske

Der schmerzhaft sich einwärts krampfende große Zeh weckt ihn noch vor fünf Uhr morgens, dabei schlief er mittwochs gerne bis neun. In dem Versuch, den Zeh zu lockern, rutschte die Decke ihm über’s Knie – da war es endgültig aus mit Träumen jenseits der Fußsohle. Er hielt die Augen auch noch geschlossen, als er sich knieabwärts wieder unter die Decke bewegte, er tat das schließlich nicht zum ersten Mal.

Als auch der linke Fuß wieder warm, öffnete er das rechte Auge. Es war ihm eine liebe Gewohnheit geworden, stets zuerst das rechte Auge zu öffnen, bevor sich das linke, weitaus empfindsamere, wie er eines Abends feststellen durfte, dem Tageslicht stellen sollte. Er hatte damals beide Augen erst in Salzwasser getunkt und dann der Mittagssonne ausgesetzt. Das rechte hatte ihm den tropischen Cocktail nicht übel genommen, das linke aber hatte bis weit in die abendliche Dämmerung hinein leise getränt.

Die Weichheit des Kissens am Hinterkopf wissend, tastet sich das rechte Auge die Tapete der gegenüberliegenden Wand empor, bis sich das schlierige Dunkelgrau in ein tröstendes Crèmeweiß ergibt. Die Wimpern geben nur zögernd mehr Blick frei. Er seufzt probeweise, den Mund halb mit der Decke gestopft und entspannt sich ob des Ergebnisses. Es wird ein Tag wie jeder andere werden, er wird sich einige Stunden winden, einige stolpern und die letzten dreieinhalb in halbleere Gläser seufzen. Aufstehen aber so schnell nicht.