Gemäuer

Inwendig | Aushäusig

We notice the scar, not the skin.
Viet Thanh Nguyen, A man of two faces

Inwendig
wagst du ein Wort
Kerngehäuse, nahe dem Wesentlichen
nicht auf deiner, geschweige denn meiner Seite verortet
vielmehr
im Innersten zuhause und da unabhängig
weil unabgängig
weil ohne jede Wand gebaut
weil wind- und weitedurchlässig
weil innen hier nicht nur Zentrum
sondern auch Zäsur

Inwendig
forderst du zum Tanz
Kreise, die vom Zirkel gezogen
ihre Mitte vermissen lassen, ihr Herz
samt Schlagwerk und Fließgleichgewicht
das zu halten sie angetreten
in ein Gewebe, das von Adern durchzogen
fremdes Gebiet
fremde Sprache auch und doch
in Rhythmus und Reigen dem Herz
anheim gegeben

Inwendig
legst du mir die Karten
verdeckt bleibt das Blatt in deiner Hand
fünf Finger für ein Halleluja
in einer Welt, in eine Welt:
deren Herz in deiner Hand
ein Innen markiert, das mich
atmen und wachsen lässt
inwendig zuhause und
aushäusig fremd

Gemäuer

Dein Licht schloss eine Tür

Du warst mir Licht
ganz Welle und Wonne
warm und wie aus Sand
schmiegsam an einen Leib
wie meinen, der
noch nie von der Sonne verwöhnt
aus einem lebenslangen Winter
nun zu erwachen drohte

Du begannst unter dem Schirm
einer Nachttischlampe
Lichtstrahl für Lichtstrahl
meine Haut zu erleuchten
ein kleines Bündel Ampere
warm genug, mich zu necken
aufatmen zu lassen
und die Schulter fallen

Du lehrtest mich Wärme
und Licht zusammen zu denken
ein Synonym für Leben zu bilden
das trägt, solange der Schein
hält, was er verspricht.
Als du schliesslich gingst
das Licht wieder unter den Scheffel stelltest
nahmst du nicht nur das Licht und die Wärme
auch das Leben atmete
spürbar aus