Gerede

Der Klingelbeutel des Kripobeamten

800.000 alte deutsche 2-Pfennig-Münzen hätte er bereits durchgesehen – vor meinem inneren Auge erscheint Donald Duck auf einem rotgüldenen Berg, beide Hände darin vergrabend – von den anderen Schillingen, Rupien, Lira, Mark und Reichsmark gar nicht erst zu sprechen. Alles, außer Antiken, denn da kenne er sich nicht aus. Und das Auskennen ist sein Kapital neben seinem guten Ruf unter den Sammlern und Händlerkollegen. Sein Ruf, der sei ihm schon einiges wert.
Der Herr von der Kripo ist groß gewachsen und seine Hände sind so gar keine feingliedrigen Exemplare, sondern vielmehr verschwielte, staubige Männerpranken, aber wenn er von den indonesischen Münzen mit Vogeldarstellungen, von Silberdollars, solchen, auf die damals in den Wild-West-Streifen die Cowboys gezielt haben, von den vielen Händen durch die so eine Münze wanderte und wie sie sich durch die Gebrauchsspuren verändert, nicht nur im Sammlerwert, da wird sein Lächeln weich, seine Stimme warm und die Finger anmutig.

Numismatiker hatte ich mir nie braungebrannt, goldbebrillt und wüstenerfahren vorgestellt, dann schon eher voller Geschichten von Münzen und ihren Sammlern, von schrulligen Arabern und feilschenden Rentnern. Meine Phantasie erbaut sofort schummrige Hinterzimmer gammliger Münzsammelläden, ältere Herren die geduldig 12-Jährige in die ersten Geheimnisse der Münzsammelkunde einweihen und dabei gewichtig dreinschauend den ein oder anderen Schaukasten samt edlem Putztüchlein und passender Politur an den Mann, bzw. den Jungen bringen.
Die Realität heißt ebay und knüpft schnell und lautlos wundersam gewundene Netzwerke weit über Landesgrenzen hinaus, voller Eifer, Gier und auch jeder Menge Fachsimpelei. Wohl dem, lerne ich, der in der Großstadt die Fäden respektive Münzen in der Hand hat, und wehe dem der auf dem Land auf ebenjene Strippen angewiesen ist.

Gerede

An American a day keeps the reality away.

Oder eben doch nicht.

Aufgefallen war mir das mittelalte Paar durch ihr arhythmisches aber sehr engagiertes Geklopfe auf dem Kaffeebecher zu des Radio’s Bonnie Tyler Gequäke. Meinen gequälten Blick erwiderten sie synchron entschuldigend lächelnd und eröffneten, noch ehe ich ihn wieder auf meine Blattsammlung senken konnte, ein Gespräch über Brueghel, Lokalisierung von Alter und Neuer Nationalgalerie sowie der schönsten Bahnstrecken durch den Schwarzwald. Villingen-Schwenningen musste ich ihnen buchstabieren – für sie klang es allzu sehr nach Schwein.
Alsbald waren wir beim Wetter und der von mir als Imageverlust lapidarisierten Entwicklung der amerikanischen Präsidentschaftsinhaber von Kennedy zu Bush. Mr. NY hätte die Politik gern vertieft, vor allem die Ausdrucksstärke der von ihm erstellten Bias zwischen gerade in Berlin hochgejubeltem Kennedy und weltweit verteufeltem Bush, da drängte Mrs. NY aber auch schon zum Aufbruch. Die nahegelegene geruchsintensive Pommesbude würde ihr Haar geradezu fettig werden lassen – Recht hatte sie: der Wind hatte gedreht, es stank erbärmlich. Und so beschloss auch ich meinen Kurzurlaub auf der sonnenwarmen Mauer abzubrechen um in düsteren Gemäuern ungestört weiter blättern zu können.