Gelüste

pommes de guerre

Der Krieg um ihre Augäpfel hatte nicht mit dem kleinen Schiff Pyjamahose begonnen, das nicht. Aber Pupule und Pomidore hatten doch einigen Einfluss geltend gemacht, sonst wären Tante Nadine, Pyjamahose und Paris heute vergessen und der Krieg einem friedlichen Idyll gewichen. Die staatlichen Musen in Berlin hatten nun in den letzten Monaten die Asche geschürt und das Feuer wieder lodern gemacht, sie merkte der Flammen Spitzen an den Schläfen klopfen. Jetzt und hier, wo der Wind ungebremst eisig aus Nordnordost weht, doppelt schmerzhaft und den Wunsch nach einer doppelten thermostatischen Augenklappe nicht nur weckend sondern regelrecht aus dem Plumeau schleudernd.
Über die Gulaschsuppe bin ich nie hinaus gekommen, brummelt es etwa zweieinhalb Meter entfernt auf fünf Uhr. Ihre Achillesferse bläst bereits zum Aufbruch, nur die linke Ohrmuschel tut sich noch etwas schwer mit dem Verlassen des unwirtlich zugigen Standpunkte. Sie ist es somit, die die kulinarische Botschaft nicht nur empfängt, sondern ungekürzt und auf dem direkten Weg an den Magen weitergibt , der, wie sie weiß, aus jedem auch nur halbwegs deftigen Stichwort ein Menü zusammenzustellen in der Lage ist. Keine halbe Minute später sind Musen und Migräne vergessen, man sammelt Speichel und Kleingeld und schickt die Augen allein auf Spähtrupp um die nächste Straßenecke, eine Küche, wenigstens einen Herd aufzutun.
Ihre Rückkehr erfolgt schweren Lides, Nur Obst! wird zwischen den mittlerweile eisblumigen Wimpern hervor gepresst. Nur Obst?!, röchelt das Wadenbein schauernd und dreht sich bereits heimwärts. Ja, Äpfel! frohlockt da der bisher selten gehörte rechte Wangenknochen, saftig-saure, rauschalige, zartkernige Äpfel. Und der Restkörper, in Gedanken bereits am warmbankigen Kamin lehnend, echot ein Bratapfelnachmittagsevent und versöhnt damit unwillkürlich nicht nur die einzelnen Körperteile. Nein, auch den Pommelier, der die stumme Diskussion aus der Ferne nur unter Zungenbissen unkommentiert beobachtet hatte.

Gelage

Palimpsest de Force au chocolat

Oder doch dem sehr ähnlich.

Du hattest fremde Löwenzahnblüten und grünohrige Brennesselrispen unter die Weinschaumsauce geschmuggelt, das sah ich an ihrem Zahnzwischenräume erlaubenden Lächeln, als sie, noch in keiner Sprache wieder heimisch, mir von der kurzzeitig paralisierenden Begegnung ihrer Lippen mit Deinem synästhetischen Ingwersirup undsoweiter berichtete. Hauptsächlich mit den Augen übrigens, nur bei Einleitung und Schluss griff sie in Ermangelung ausreichender Blickvarianten auf ihre, weiterhin an Espenlaub gemahnenden, Hände zurück.
Staunen mit jedem Tupfen gelauschter Spannung, auch indiziert aber von den Blättern schwarzen Tees, die konzentrisch in meiner unberührt gebliebenen Steinguttasse dümpeln, seit mehreren Viertelstunden bereits. Erst recht ablesbar an meinem Magenzwinkern, das bis dato gänzlich ignoriert wurde und in diesem Moment nur durch die Bilanz heischenden Fingerkuppen, stierhungrig auf jedes noch so ungeliebte Detail sich stürzend, ins Flackerlicht unserer Kerzen geschürzten Aufmerksamkeit geschubst wurde.
Dein häppchenweise in Worte gefasster Appetit, der Dich die Hefeklöße unwillkürlich ein, zwei Nummern größer hatte anlegen lassen; Deine zwischen Bordeaux- und Rosé-Tönen pendelnden Wangen, die ihre Zunge durstig zwischen den Lippen hervorschnellen hatte lassen; Deine, ihren Schluckreflex im Minutentakt auslösende, gleichzeitige Verquirlung von Blaubeerrisotti linkstöpfisch und Milchpartikeln zu schneeballfarbenen Schaumhauben für den abschließenden Schokospressino rechtstöpfisch, belegten die Identität des während unseres unter Mädels genossenen Jasmintees ohne Namen gebliebenen Kochs.