Gedanken

Manchmal überlege ich

ob es anders gelaufen wäre, hätten wir das Licht angelassen. Vielleicht hätte er gelächelt. Vielleicht hätte ich gelacht.
Andererseits: hätte ich eine andere Geschichte überhaupt gelesen?

Im Mai hatten wir noch mal Kohlen gebraucht, zu kalt war der Winter und zu lang. Immer noch der Fleecepullover, immer noch dicke Socken und kein Ende in Sicht. Der Kohlenstaub nervte vor allem auf den Buchoberkanten wo er nicht weg zu wischen war. Und ich wollte endlich bei offenem Fenster schlafen und morgens trotzdem die Decke nicht vermissen.
Und ich hasste es, zu spät zu kommen. War stets vor dem Wecker wach und vor der Zeit im Büro. Trotzdem traute ich mich nicht, pünktlich zu gehen und blieb immer noch ein paar Anstandsminuten, gleichzeitig ärgerte ich mich über meine Duckmäuserei. Und tat es doch immer wieder. Und dann war es wieder dunkel bis ich aus dem Büro kam und bei Lidl an der Kasse musste ich Schlange stehen und der Karton war zu schwer und zu Hause der Ofen aus.
In beiderlei Hinsicht also mühseliges Wiederanheizen nötig. Zuerst galt es jedoch die alte Asche sorgfältig heraus zu kehren, in den Eimer zu schütten und vier Stockwerke runter in den Hinterhof zu bringen. Danach: vier Stockwerke wieder hoch, Kohlenanzünder und Kohlen in den Ofen, mich selbst reinigen und ganz wichtig: lächeln. Stets lächeln, es könnte ja jemand zusehen.
Natürlich sah niemand zu, denn Du warst nie vor mir zu Hause, egal wie viele Anstandsminuten ich vor Feierabend verstreichen ließ, Piet schaute aus Prinzip nicht in meine Richtung und unabhängig davon blieb der Lichtschalter bei meiner Rückkehr jeweils unberührt. Und doch suchte ich Anmut in meine Bewegungen zu legen, bückte mich nicht etwa rückenschonend sondern hinternpräsentierend, zündete souverän Streichhölzer und blies mundvollendet die Glut. Und dann legte ich die Beine hoch, die Zehen schurwolleumschmiegt und schaute der Nacht beim Nachdunkeln zu. Ja, manchmal vergaß ich tatsächlich den Rotwein und schlummerte das Kinn auf der Brust, die Decke im Arm am Fenster lehnend ein, immer in dieser Erwartungshaltung, immer als ob und nie weil.

Ein Gedanke zu „Manchmal überlege ich“

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