Ganz im Moment werden wir aufgezogen, die Zukunft uns unerreichbar wie unausweichlich in den Weg gestellt. Geliebt möchte sie ohne berührt zu werden. Ohne auch nur gekannt zu sein. Aber geliebt, geehrt, berücksichtig. Really?
Wie schwer wir es uns mit dieser Zukunft machen, die ja gar nicht so unerreichbar, so fremd, sondern immer nur einen Moment entfernt, bemerken wir, wenn wir uns auf den Weg zu ihr machen. Ein Schritt, und schon fast zu weit. Welche Tür war es noch gleich? Da stehen keine Namen dran. Und wenn: Wie spricht man ihren Namen eigentlich aus? Kann ich sie einfach duzen? Wird sie pünktlich sein?
the future is now
In der Schule noch wird uns eingeimpft, sie wäre Teil von uns: Was möchtest du werden, wenn du einmal groß bist? Fragen wir doch mal zurück: Wie groß bist du, liebe Zukunft? Wie groß möchtest du einmal werden? Und was möchtest du sein, wenn es dann mal so weit ist? Nur auf den ersten Blick eine naive Frage. Denn sie beinhaltet auch die der gegenseitigen Wachstumsförderung. Kann ich größer als meine Zukunft werden? Bestimmt sie, wie groß ich maximal wachse? Oder bin ich es, die ihre Größe definiert. Muss ich groß denken, damit sie wachsen kann und dann umgekehrt mir wieder Raum gibt? Machtspiele, die sich ganz natürlich in der räumlichen Dimension denken lassen, auch wenn die Zukunft zunächst aus der Zeit zu kommen scheint.
Die Zukunft sei hier, und jetzt, ist so wahr wie falsch: Es geht bereits los, es ist bereits losgegangen, ja, aber. Wieviel Raum und Luft ist in unserer prallgefüllten Gegenwart für unsere Zukünftige? Wieviel Zeit haben wir zu verschenken an eine, die kommen wird, denn das ist sicherer als wir meinen bereits in unserer Definition von Gegenwart verankert: Ein Danach, ein Dahin, ein Dort, das anders sein wird als das Jetzt und anders auch als das was hinter uns liegt, seitlich und uns gegenüber steht. Diese Möglichkeiten, wenn wir diesen Begriff einmal einführen wollen, um damit auch unsere Beziehung und unsere Rolle anklingen zu lassen, sind so vague wie konkret: Unsere.
Die Zukunft, ob weiblich sei nochmal dahingestellt, liegt nicht in uns, nicht in unseren Händen, nicht in unserer macht. Aber sie ist ein Teilchen, das wir einladen können, mal mehr mal weniger, dem wir Aufmerksamkeit schenken dürfen und in dem wir uns verlieren können. Denn so zart und unbegreiflich sie daherkommt, so reizvoll ist es, in ihr baden zu gehen und gar nicht mehr zurückzukehren in die Pflichten des Gegenwärtigen, mit dem sie in ständiger Konkurrenz und Co-Autorenschaft steht. Beide definieren sie Grundlage und Inhalt unserer ganz persönlichen wie kollektiven Geschichte und ihrer Bewertung. Dabei bleibt die Zukünftige stets im Konjunktiv noch so mächtig und je mehr unserer Vorstellungskraft wir ihr schenken gegebenenfalls wirksamer als jede Vergangenheit. War da was? Wird da was sein? Und wo werden wir uns befinden? Werden wir uns wiederfinden?
your partner in future
Die Zukunft als Garten, als gelegentlich besuchbarer Nachbarort, als Komplizin gedacht, eröffnet einen Raum auf Augenhöhe. Schau mir in die Augen, Zukünftige, und ich sage dir wie du in meinen Träumen heißt. Baumhaus dein Name zur Guten Nacht, Inselstaat um Mitternacht, bevor du als Tischleindeckdich von mir den ersten Kaffee noch im Bett serviert bekommst. Ich will, dass du bleibst, Zukünftige, heute, morgen und in dem Land an meiner Seite, das wir gemeinsame an einen See pflanzen, der nicht uns sich spiegeln lässt, sondern die Wildheit, die du dir bewahrt hast in deinem Trotz, den du mir aufs Butterbrot schmierst:
Scher dich nicht um Sonnenschein,
lass den Blick tief in meinen Augen ruhen, denn ich bin diejenige welche.
Ahoi, Allerwerteste, denn lass uns die Segel hissen und den Motor auslassen, lass uns den Wellen trauen, lass uns baden gehen und unter, Gezeiten lernen und Land ins Auge fassen, für die Pflanze Mensch. Lass uns tasten, schmecken, einfühlen und hinhören und uns berühren lassen. Wie fühlst du dich an? Trägst du Bart oder Hornhaut an den Ballen?
Kann man Zukunft ausprobieren, liebe Lena, lieber Klaus? Lasst es uns probieren!
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Vom 17. – 19. März erforschen wir im FERNWERK von Age of Artists die Wirksamkeit künstlerischer Intelligenz – und poetischen Denkens. Ich bin mit zwei Beiträgen dabei und freue mich, zum Auftakt mit dem Zukunftsforscher Klaus Burmeister und Lena Marbacher vom Magazin Neue Narrative unter dem Titel FORTSCHRITTSPRODUKTION | Zukunftsforschung trifft Praxis der Gegenwart etwaige Handlungsmöglichkeiten zu extrahieren.