Gedanken

Die Stille von nebenan

Sitzfläche | Anne Seubert

Deine Stille ist eine der ersten, wenn ich morgens die Füße versuchsweise neben das Bett stelle. Noch aus der Nacht hinübergerettet und erst wenn ich auftrete gewahr werdend, dass das ja schon Morgen ist, und alles andere Regen von gestern, was sag ich, Sturm. Und dann ist auch schon wieder Ruhe und der Kaffee, der einzige, der spricht, laut und in dickwandigen Tassen am liebsten gurgelnd, die Crema auf Kante und den Löffel verzuckert: Einer muss ja süß aufschlagen bei der Nachrichtenlage, eine muss ja wach sein und nüchtern, einer muss ja stillhalten und die Hand auf und dem müden Wunder zum Fraß vor.

Sitz, sagst du, als die Wolke sich nähert und ihre Schatten schonmal Tuchfühlung aufnehmen lässt, da hat die Sonne das Handtuch schon geworfen, so weit, dass kein Tropfen fällt, der nicht zuvor auf Körpertemperatur angewärmt und an Frottee serviert, wir sind hier schließlich all incl., you know, und ich habe ein Auge auf dich niedergelassen, das da eine Weile ruhen, wenn nicht sogar Sitzfleisch ansetzen möchte.

Deine Stille ist eine, die nicht nachhallt, nicht vortanzt, nicht übermütig wird, sondern dem Moment noch im Vorbeigehen eine Bühne bastelt, eine, die aushält, wenn auch erstmal zur Probe oder wie man heute sagt: bis auf Weiteres.  Die trägt, auch wenn alles bricht, selbst die Zeile um, wenn die Zeit sich in Falten schlägt und das Wasser Salz ansetzt, die hält, auch wenn sie selbst in Versuchung, wenn alles lauter und lauter um Vergebung bittet und Ablenkung per default geliefert wird. Deine Stille ist eine, die ich annehmen und duzen kann, auf Anhieb und gute Nachbarschaft.