Gemäuer

Wean, du bist a Taschenfeitl

Wean, du bist a Taschenfeitl
Unter an Himmel aus Schädelweh
A zehnmal kochtes Burenhädl
Auf des ned haas bin und trotzdem steh!
Du bist a Feuersalamander
Auf einer Gstättn aus Marzipan!
Du gibst kan Hoit und host ka Glander
Mechst gern an jeden obezahn!
(…)
Helmut Qualtinger / André Heller

 

Ob ich gut hergefunden hätte, fragst du, als wäre ich das erste Mal zu Gast, als lägest du so, dass man dich nur einmal im Leben besuche, als kenne man sich in dir nicht aus, wenn man nicht hier geboren oder doch zumindest, na, du weisst schon. Andererseits, gestehe ich, allerdings nur mir, lasse ich mich von dir gerne an die Hand nehmen. Ich folge deinen Blicken leicht in die über Jahre gefältelten Gassen und lausche deinen Geschichten zu Namen in der Wand und auf Schildern an Mauervorsprüngen, die zuhören können und es, so vermute ich, wenn nicht faustdick, so doch zumindest fingerdick hinter den Ohren haben. So manche lerne ich durch dich erst kennen, andere besser. Der also auch. Und die dort damals, wer hätte das für möglich gehalten, in diesen Zeiten, was eine Chuzpe und seit so vielen Jahren. Zwischenzeitlich falle ich deiner Stimme anheim, vernehme nur mehr Tonfolgen, Atemzüge, die kommen und gehen und das Gesagte auf die richtige Spur bringen oder betonen. Den Inhalten abhold für Momente, wandere ich weiter in das Mauerwerk hinein und in die Zeit, die damals echt und in Farbe war, und Menschen nach Wien zog, die diese Stadt zu dem machten, als das ich sie heute kennenlerne. Diese Menschen, die Spuren hinterließen und Witz und einen Ruf, den noch so viele Zugezogene nicht unterwandern können.

Berlin, wiederholst du den Namen der anderen Stadt, die in unseren Gesprächen eine Rolle spielt, und fügst eine Stimmung hinzu, die mir zu verstehen gibt, dass du dort noch nicht warst, dass du es nur aus der Distanz kennst, dass es also etwas Unbekanntes ist, eine Stadt, die du bei der ersten Begegnung noch siezen und höflich nach ihren Schokoladenseiten fragen würdest. Ob es etwas gäbe, dass es sich anzuschauen gebühre, etwas, auf das sie, die Stadt, besonders stolz ist? Etwas, dass es nicht zu verpassen gilt? Du würdest aufwarten mit einer Handvoll der üblichen Sehenswürdigkeiten und Berlin damit zu schmeicheln wissen. Gleichzeitig würdest du aufpassen, nichts grob Falsches zu sagen, das eure Beziehung aufs Spiel setzen könnte oder Berlin in Verlegenheit bringen. Der Flughafen wäre tabu und die Verwaltung, aber früher oder später liefe es auf einen Vergleich heraus – große Schwester, kleiner Bruder oder doch eher Cousinen zweiten Grades?


Wien, würde ich antworten, Wien hat Schmäh, Berlin ihre Schnauze, und dass ich in den Donau-Armen ungleich besser entspannen könne, als am Spree-Knie geborgen. Damit bringe ich nicht nur dich zum lächeln, auch wenn du weisst, dass Wien zwar viel besser ausschaut, aber lange nicht so gut ausgeht, wie es die großen Namen vermuten lassen würden. The end unserer gemeinsamen Zeit ist mal wieder near, und das Taschenfeitl hat seine Hausaufgaben gemacht. Ich bin froh, dass ich das Geländer immer noch gefunden habe und verrate niemandem, dass Wien sich für mich auch durch sein Licht auszeichnet, das in den alles andere als hohlen Gassen zu Hause, das sich an diese deine Wände schmiegt, ihre Falten auf das Wohltuendste weichzeichnet und dem Ton genau so viel Bitternis nimmt, wie die allseits verlangte Mélange dem frisch gebrühten und stets mit einem Glas Leitungswasser servierten Kaffee. Brauner, versteht sich. Diese Mélange, die in mir nonchalant dieses Wienerlied anstimmt, das all jene umarmen kann, die lächeln und lieben möchten, auch und gerade dieses ihr Wien, das sie sonst gern verleugnen, wenn auch nur durchschaubar halbherzig. Habe die Ehre, baba!, und packe dich heimlich in meine Hosentasche, Taschenfeitl darin hin oder her. Es wird sich schon ausgehen!

Vorgelesen? Gerne: