Gedanken

Rotkäppchen

Heute muss es die rote sein, die rote flauschige und zwar bis über beide Ohren. Und wehe Mama hat Einsprüche!
Aber Mama lächelt nur und Papa streichelt mir grinsend über den rotflauschig eingepackten Kopf. Also schnell auf den Stuhl geklettert, den Schlafanzug erst noch einmal angelassen und Kaba trinken. Und von Papa mir ein Marmeladebrötchen schmieren lassen. Kann ich zwar eigentlich schon selber, aber von Papa geschmiert ist leckerer. Mama schmiert zu wenig Butter unter die Erdbeermarmelade, darum lieber von Papa. Mama schüttelt natürlich den Kopf.
Mama und Papa machen derweil Pläne für den Tag. Ein Spaziergang im Park mit Zwischenstop bei den Schaukeln und auf dem Heimweg bei Oma vorbei? Oder doch lieber zu Hause bleiben, den Balkon winterfest machen und dabei ein Hörspiel hören? Oder aber Papas Freund Erik besuchen und Eriks Freundin ihren Bauch angucken?
Wir entscheiden uns für zu Hause bleiben, werkeln, und umtopfen. Wir räumen den Tisch ab und Mama legt schon mal Planen fürs Blumenumtopfen aus. Und während Papa und ich auf dem Balkon mit den Händen in der Erde buddeln und dabei möglichst viel Dreck machen, sucht Mama ein Hörspiel aus, das wir alle drei mögen.

So jedenfalls reimte ich mir den Vormittag zusammen, als ich mittags ein rotbemütztes Mädchen im Schlafanzug mit schwarzen Fingern und sichtbar marmeladenverschmiertem Mund auf dem Balkon gegenüber entdeckte, das sich mit seinem Vater geschäftig über diverse Blumentöpfe beugte und zwischendurch immer wieder für Sekunden konzentriert lauschend in der offenen Balkontür stand.

Gedanken

Seid Punkrocker, keine Hippies!

Es mangelte nicht nur an Qualität, nein, ganz banal auch an Quantität und allein pogen bringt den Saal nicht zum kochen. So blieben die Töne eher jazzig, und damit oft seltsam unmotiviert vereinzelt im Raum stehen. Die Massen waren nicht gekommen, und die Individuen lehnten an den Türbalken und Wänden, fragten höchstens nach dem Weg zur Toilette und applaudierten nur höflich. Man betrieb Sozialforschung und genoss mindestens zwei Bier zu viel, zum Reden bot sich der Kassierer an, dessen Sarkasmus und Auswahl an Flyern von Alternativ-Veranstaltungen den Antritt des Heimwegs noch ein paar Minuten herauszögern konnten. Dieser – durch den nächtlichen Nieselregen – gestaltete sich dann nicht als Abkühlung sondern als tristnasse Fortsetzung eines Abends, der zu Hause angenehmer verlaufen wäre. Illusionsschonender so to speak.

Und meine Füße in die Pedalen stemmend, den wenigen Autos ausweichend mir meinen Weg durch die Stadt nach Hause suchend, lasse ich die Töne nachwirken, hatten es einige ja dann doch geschafft, mein Gedächtnis zu erreichen. Plötzlich trete ich im Rhythmus längst vorgetragener Texte und merke am weitausholenden Ausweichmanöver des nächsten Autos, dass ich uwillkürlich Schlangenlinien fuhr. Ich lächle die rote Ampel an und stelle meinen Fuß neben die Pfütze. Jetzt noch zweimal links abbiegen und dann nur noch die Treppe hoch.
Mein Vorderlicht surrt beruhigend, als ich das Rad durch die Haustür schiebe und auf der Treppe gähne ich fast.

Nichtsdestotrotz, ein müdemachender Abend.