Gestern

Speronis Spirenzchen

Von den Texten Sperone Speronis, Sohn des Bernardino Speroni, Beinahe-Lehrer des Torquato Tasso, der seinerseits im Dienst des Guglielmo Gonzaga stand, wird gesagt, sie paradoxalisierten. Dabei schränkt er dialogische Geltungsansprüche von Komödienparallelen ein. Im Übrigen ist Speroni Professor für Logik. Und für Philosophie. Nebenbei ist er Jurist. Und Theaterautor. Seine ersten Dialoge fielen der Zensur zum Opfer, bei seiner Verteidigung verglich er die Charaktere seiner Dialoge mit den Kochzutaten Brot, Fisch, Anchovis, Mehl, Pfeffer und Thunfisch, sich selbst mit dem dazugehörigen Koch. Er konnte nicht überzeugen, seine Werke landeten auf dem Index.
Zuletzt stellte sich Sperone Speroni die Frage nach der Kunst der Geschichtsschreibung. Er zweifelte, ob es überhaupt eine sei. Er begann einen Dialog über diese Frage, den er leider nie zu Ende schrieb. 1588 starb er in Pisa ohne Antwort.

Spätestens Hegel gab sie unmissverständlich in seinen Vorlesungen über die Ästhetik:
»Dennoch gehören auch diese schönsten Produkte der Geschichtsschreibung nicht der freien Kunst an, ja selbst wenn wir auch noch die äußerlich poetische Behandlung der Diktion, Versmaße usf. hinzutun wollten, würde doch keine Poesie daraus entstehen. Denn nicht nur die Art und Weise, in der die Geschichte geschrieben wird, sondern die Natur ihres Inhaltes ist es, welche sie prosaisch macht. Wir wollen hierauf einen näheren Blick werfen.«
Innere Werte also, Substanz, nix Spirenzchen.

Gestern

Vierstündiger TIA

Im Portugiesischen ist TIA die Tante. Und Tanten gibt es dort jede Menge, meist ja Marias aber natürlich auch Tia Ana, Mafalda – der hässlichste portugiesische Frauenname wie ich finde -, Lúcia, Ana Margarida, Cláudia, Marília, Amália oder Leonore. Jede Familie hat ihre Tias und die Tias ihre Geschichten. Und ihre Macken.
Oft sind Tias auch gar keine wirklichen Tias, im strengen Sinne der Ahnenfolge, sondern Nachbarinnen, Schwägerinnen, altbekannte Verkäuferinnen, Friseurinnen oder Putzfrauen.
Sie alle sind Tias. Und mindestens TIA MARIA kennt man auch in Deutschland.

Die mir bekannten Tias waren größtenteils alleinstehend und froh um jeden Neffen, jede Nichte, derer sie sich annehmen konnten. Kochend, Rat schlagend, Sorgend. Sie meinten es prinzipiell gut, lagen damit aber oft auch daneben. Sie schwiegen seltenst und wenn dann um zu lächeln. Neugierig!

Dass TIA aber auch auf Überweisungsformularen stehen kann, war mir neu. Die Bedeutung dahinter erst recht. Ich solle auf einen baldigen Termin beim Spezialisten bestehen, sagt mir die Ärztin, mir die Überweisung überreichend, was am besten nicht telefonisch sondern persönlich zu erreichen wäre. Ich schaue zur Seite, mir ist es gar nicht so dringend, ich will gar nicht genauer wissen, was hinter dieser TIA für eine Geschichte steckt und schon gar nicht will ich Rücksicht auf ihre Macken nehmen. Ich will nichts mit ihr zu tun haben, ehrlich gesagt.