Gelüste

Haptik on the road

Er träufelte sich ihre Haut pipettentropfenweise in seine linke Ellbeuge und leckt mit vor Zärtlichkeit rauer Zunge parallel den Klecks Vanillepudding aus dem rechten Mundwinkel, wo er ihn Sekunden zuvor der Symmetrie halber drapiert hatte. Er verrieb den Dreivierteltropfen der wertvollen Essenz mit dem Zeigefinger wie auf der Packungsbeilage beschrieben nicht in Kreisen sondern in sorgsam gezirkelten Ellipsen. Morgen für Morgen genoss er dieses Ritual mit der jungenhaften Begeisterung, die auch im Erwachsenenalter gerade den kleinsten Geheimnissen anzuhaften scheint. Er berührte seine Haut gerne nur mit den Fingerspitzen, jahrelang hatte er versucht, sich selbst dabei zu Gänsehaut oder wenigstens Kitzel zu necken, aber vergeblich. Erst ihre Haut vermochte all das und mehr. Er schauerte.

Bevor er dem Ärmel seines Oberhemdes erlauben würde sich über die nunmehr leicht gerötete weil gereizte Stelle zu legen, schmiegt er um 7.37 Uhr seine Wange in einer für den Laien akrobatisch anmutenden, für ihn liebgewonnen Verrenkung für Momente in seine Beuge. Auch seine Nasenflügel kräuseln sich als für den aufmerksamen Beobachter untrügliches Zeichen, dass sich der Geruch ihrer Haut bereits zu regen beginnt. Bereits um 7.50 Uhr würde dieser seine Nase zu erreichen vermögen, ohne dass er weder Arm noch Nacken beugen müsste. Trotzdem hat er auf dem Leinengemisch für sowohl Oberhemd als auch, und das mag belächeln, wer taub für die Nuancen der durch die Durchdringung des Gewebe entstehenden Abweichungen des Eigengeruchs ihrer Haut, für Unter-, sowie Beinkleider bestanden.

In einem Anfall von Übermut, dessen Ursprung, würde man sich auf seine Suche begeben, wohl in der vergangenen Nacht zu finden wäre, und zwar in den Stunden zwischen Mitternacht und 2 Uhr früh, gönnt er sich noch einen weiteren Tropfen aus der dunkelwandigen Pipette. Nur einen halben diesmal, er ist sich der Endlichkeit ihres Inhalts wohl bewusst. Er lächelt noch immer nicht, sein konzentrierter Blick verrät nichts von der hellflaumigen, buttercroissantbraunen Haut, deren Extrakt er nun auch in die linke Ellbeuge massiert, auf dass es subkutan sein Hämoglobin umlagere. Wohlwissend, dass auch die dazu eingesetzte Fingerbeere den begehrten Stoff an sich trägt, streicht er sie zum Abschluss über die Partien seiner Haut, die, hieße er Tom Selleck oder Clark Gable, von dichtem Haarwuchs verborgen blieben. Sein rechter Nasenflügel nimmt bereits Witterung auf, noch ehe sein Finger seine Haut endgültig verlässt, um nun endlich zum Oberhemd zu greifen und dem Tag entgegenzutreten. Lächelnd.

Gesuche

Punkt vor Strich

Ich mag Klammern, las ich letztens verblüffend resolut das Geständnis eines Mathematiknovizen. Ich nicht, hätte ich gerne entgegnet und wenn, dann diese mysteriös geschweiften, stets einer anderen, längst vergangenen Zeit entronnenen Geschöpfe, deren Mythos sich nicht zuletzt aus der Tatsache speist, dass ihre Gestaltung meinen Fingern ähnlich schwer fällt, wie derdiedas Deleatur. Ganz dominante Diva, dem ihr einst schweren Herzens anvertrauten Inhalt möglichst jede Aufmerksamkeit abtrotzend. Aufrecht, aber sinnlich und somehow stets auf dem Sprung, stets eine sich bei der letzten forschen Bewegung gelöst habende Locke in der Stirn, stets einen verführerisch feuchten Schimmer auf den etwas zu voll genommenen Lippen.

Den unvollendet halbrunden, ihren Inhalt in vielerlei Sinn begrenzenden Klammern jedoch kann ich nur wenig abgewinnen. Keinen Charme, noch nicht einmal Stil und schon gar keine Herausforderung an den Kalligraphen. Nur mit drei Punkten gefüllt, in Schachtelsätzen wattiert geborgen, vermögen sie mir ein Lächeln abzuluchsen. Da sind sie selbst klein statt andere klein zu machen, da bergen sie viel und zeigen kaum etwas, da flirten sie mit mir Leserin. Ihre eckigen Kollegen sind mir, obwohl zugegebenermaßen zuweilen von Nöten, suspekt. Ich schließe Klammern lieber, als dass ich sie öffne, am allerliebsten aber entferne ich sie, Bracket für Bracket, löse sie auf. Kunstvolles Ent-Formeln nach Binom etwa reizt dabei ungleich mehr als bloßes Ausmultiplizieren.

Hinter jedem Punkt aber, um noch einmal auf die drei kleinen Pünktchen in der die Architektur des Schachtelsatzes nur peripher beeinflussenden Klammer aus dem vorigen Absatz zu sprechen zu kommen, bleibt ein eigener Satz, eine eigene Formel zu emanzipieren. Eine anekdotisch verpackte Reiseerzählung, die Hoffnung auf ein Happy End gar oder auch nur die Fortführung des zuvor angedeuteten Gedanken. Ich schnüre mein Bündel und nehme mit: drei ausgewachsene Punkte, zwei sich zu einer ergänzenden Klammern –missverständlich, wenn ein Teil benannt ist wie das große, sich erst aus den beiden Teilen ergebende, Ganze – und den Kulturbeutel voll Hintergedanken. Immer geradeaus, Absatz für Absatz erklimmend in schwindelnde Höhen, zu finden was mir fehlt.