Ein alter Bahnhofswartesaal. Harte Holzbänke. Abgesessene Brauntöne geben sich die Klinke in die Hand. Kaputte Leute atmen Angst. Aus und ein. Wer hatte ihn euch noch gleich empfohlen?
Ihr, das sind M. und seine Freundin. M. leidet wie nur ein erkälteter Mann leiden kann. Ich weiß nicht worunter ich selbst leide, aber ich muss auch rein. Auch wenn ich im Gegensatz zu M. weder einen Termin habe noch die Sprache spreche. M. hat Angst, also habe auch ich Angst. Beide haben wir einen Klarsichtbeutel, wiederverschließbar, angefüllt mit ausgesuchten Köstlichkeiten des Haribo-Sortiments auf dem Schoß. Die einzigen Farbtupfer im ganzen Raum. Zum Festhalten. Als M. dran ist, beginne ich die meinen in einer Schale anzurichten, sorgsamst, geradezu meditativ. Die Freundin wickelt sich derweil in ihre Jacke. M. kommt zurück und bringt das Grauen mit. Da drin ist einer gestorben. Vor seinen Augen. Unter barbarischen Schmerzen. M. kriegt die Augen gar nicht mehr zu, der Schrecken hält die Lider auseinander. Ich wage nicht zu fragen, denn ich muss da gleich hin, in den Raum, in dem die Leute sterben, unter Schmerzen, weil die Messer stumpf und der Ether knapp. Ich will nicht und in den Minuten bevor ich aufgerufen werde schaue ich zu, wie M. nun seinerseits seine Gummileckereien in einer Schale arrangiert. Ich hatte mir bereits Sorgen gemacht, woran ich wohl erkennen würde, an der Reihe zu sein. Diese sind nun nach M.’s Rückkehr verschwunden, ohne dass ich die Lösung wüsste. M. muss wohl noch einmal rein. Der Todesfall hatte seine Behandlung beim ersten Besuch unmöglich gemacht. Danach aber gedenken wir die Leckereien genüsslichst zu verspeisen, als Trost und Stärkung gleichermaßen. Dafür muss es schön aussehen, so ist die Regel. Aus der Tüte essen gilt nicht. Die Angst deckt mit, Rot gibt es in unseren Schalen nicht, dafür viel grüne Hoffnung und warmes Gelb. Ich wiederhole gebetsartig die drei Sätze die ich in der fremden Sprache gleich aufsagen muss. Die ungewohnten Laute stolpern über meine Lippen, die Konsonanten kratzen im Rachen. Ich habe Durst…
… und glücklicherweise immer eine Flasche Wasser neben dem Bett.
T.M. sagt:
Im Zauberberg war immer von Moribunden die Rede, die sterben da wie die Fliegen …
kopffuessler sagt:
Den hab ich immer noch nicht gelesen, dank’ Dir für’s dran erinnern.
kid37 sagt:
Na, dann aber hopp. Da kann man schön abgeschottet drin siechen, bis man den Donner hört. Das Wasser dann aber passend in eine hübsche Karaffe füllen.
kopffuessler sagt:
Eile mit Weile, ich bin aktuell in einer Belagerungsgeschichte versunken. Immerhin gibt es da aber Milchkaffee und Blätterteiggebäck. Aber dann, der Winter ist ja noch lang.