Gesuche

Punkt vor Strich

Ich mag Klammern, las ich letztens verblüffend resolut das Geständnis eines Mathematiknovizen. Ich nicht, hätte ich gerne entgegnet und wenn, dann diese mysteriös geschweiften, stets einer anderen, längst vergangenen Zeit entronnenen Geschöpfe, deren Mythos sich nicht zuletzt aus der Tatsache speist, dass ihre Gestaltung meinen Fingern ähnlich schwer fällt, wie derdiedas Deleatur. Ganz dominante Diva, dem ihr einst schweren Herzens anvertrauten Inhalt möglichst jede Aufmerksamkeit abtrotzend. Aufrecht, aber sinnlich und somehow stets auf dem Sprung, stets eine sich bei der letzten forschen Bewegung gelöst habende Locke in der Stirn, stets einen verführerisch feuchten Schimmer auf den etwas zu voll genommenen Lippen.

Den unvollendet halbrunden, ihren Inhalt in vielerlei Sinn begrenzenden Klammern jedoch kann ich nur wenig abgewinnen. Keinen Charme, noch nicht einmal Stil und schon gar keine Herausforderung an den Kalligraphen. Nur mit drei Punkten gefüllt, in Schachtelsätzen wattiert geborgen, vermögen sie mir ein Lächeln abzuluchsen. Da sind sie selbst klein statt andere klein zu machen, da bergen sie viel und zeigen kaum etwas, da flirten sie mit mir Leserin. Ihre eckigen Kollegen sind mir, obwohl zugegebenermaßen zuweilen von Nöten, suspekt. Ich schließe Klammern lieber, als dass ich sie öffne, am allerliebsten aber entferne ich sie, Bracket für Bracket, löse sie auf. Kunstvolles Ent-Formeln nach Binom etwa reizt dabei ungleich mehr als bloßes Ausmultiplizieren.

Hinter jedem Punkt aber, um noch einmal auf die drei kleinen Pünktchen in der die Architektur des Schachtelsatzes nur peripher beeinflussenden Klammer aus dem vorigen Absatz zu sprechen zu kommen, bleibt ein eigener Satz, eine eigene Formel zu emanzipieren. Eine anekdotisch verpackte Reiseerzählung, die Hoffnung auf ein Happy End gar oder auch nur die Fortführung des zuvor angedeuteten Gedanken. Ich schnüre mein Bündel und nehme mit: drei ausgewachsene Punkte, zwei sich zu einer ergänzenden Klammern –missverständlich, wenn ein Teil benannt ist wie das große, sich erst aus den beiden Teilen ergebende, Ganze – und den Kulturbeutel voll Hintergedanken. Immer geradeaus, Absatz für Absatz erklimmend in schwindelnde Höhen, zu finden was mir fehlt.

Gestik

Next one please

Das Gießen beansprucht P. zur Zeit ja wieder als einzig und allein ihm zustehende Tätigkeit. (Als ob ich sie ihm je ernsthaft streitig gemacht hätte.)

Das Gehen übernehme dafür mal wieder ich. Aus dringend bestimmt werden wollenden Gründen für nachträglich leicht zu bestimmende Zeit in ein ganz bestimmtes Blaugrün: Adieu!

Sonntagsedit: Es nervt und es nervt und es nervt. ES, dieses sonnentrunkene, noch bei fortgeschrittenem Verfaulungsprozeß lächelnde. ES, dieses kompromisslos umzäunende, ja menschhoch ummauernde. Von wegen trockenem Bruchsteinbau. Drei Sack Zement auf jeden Höhenzentimeter!
Wenn es doch nur Wut wäre, saubere, zielgerichtet zuschlagende Wut, aber nein es bleibt bei verzweifelter Reizbarkeit, Mehr-als-Hochspannung ohne gelbem Warnschild dafür mit Schaum vor dem Mund. Heimatlose Wanderfalken hinter der fliehenden Stirn und doch nur Einöde soweit das Auge das Lid hebt.