Gedanken

S(ch)atzinseln

Lesend gefalle ich mir nicht nur besser, ich fühle mich auch gleich viel weniger sinnlos. Was albern anmutet, ich weiß. Lesend erobere ich mir Meere, Welten, ja Herzen und erweitere dabei spielend meine Horizonte. Noch ein Meer hier, und dann darin geschmökert, hier einen Küstenstrich entdeckt und dort muschelreiche Strände gekapert. Hier eine Meerenge durchkreuzt und da ein Kap umsegelt und schon war ich wieder drei Stunden älter aber sieben Leben reicher.
Kapitelweise verschlinge ich Romane, lasse mich ent- und verführen, mitunter sogar dazu, die letzte vor der ersten Seite zu lesen. Ich versinke in fremden Schicksalen, in virtuellen Bedrängnissen und erfundenen Dilemmata, ich atme im Umblätterrhythmus und organisiere das zur-Tasse-greifen nach Absätzen im Text. Und dann und wann hebe ich Schätze, ganz ohne Karte und verhextem Kompaß, Satz-Juwelen, die nur für mich in einem zwei Kilo schweren, tausend Seiten tiefen Buchstabenmeer versenkt wurden, auf dass ich früher oder später meinen hungrigen Blick darüber gleiten ließe und den Schatz hübe:
Ewig wird der Muschel die Schönheit ihres Werkes unbekannt bleiben. Dieser Satz Paul Valérys enthält das Paradox seiner Weltansicht: Nur die Muschel >weiß< , wie sie ihr Gehäuse macht, und nur sie findet die Geborgenheit im Zentrum seiner Zweckmäßigkeit; aber der Glanz dessen, was sie um sich absondert, bleibt ihr im Dunkel – der Genuss des Werkes erfordert den exzentrischen Betrachter, den, der es selbst nicht gewesen ist, den Fremden aus der Welt der Nichtmuscheln. (Hans Blumenberg)

Eine Tasse Tee und drei Seiten weiter hänge ich gedanklich immer noch an diesem Satz fest –
Let me be you eccentric beholder.

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