Gerede

Großvaterrechte

Ihre Großmutter würde nie erlauben, dass sie Röcke trage. Dazu seien ihre Beine nämlich nicht ästhetisch genug und also wäre das Rocktragen als ungehörig einzustufen. Die Großmutter lebe allerdings so weit entfernt von ihr, dass ihr wohl nie zu Ohren kommen wird, dass sie das manchmal trotzdem heimlich macht, mit dem prickelnd-unguten Gefühl etwas Verbotenes zu tun. Etwas Schamloses.
Wenn sie sie besucht, versuche die Großmutter häufig das Gespräch auf Äußerlichkeiten zu lenken. Schon allein aus Protest dagegen, verwehrt sie sich heute Eitelkeiten jeglicher Art. Ihr wurde früh beigebracht, dass Menschen alles andere als gleich sind und dass man sich entsprechend zu verhalten hat. Schöne Menschen dürfen, nein müssen sich schmücken und präsentieren, durchaus auch mal auffälliger. Hässliche Menschen hingegen müssen unter allen Umständen dafür Sorge tragen, nicht aufzufallen, sondern sich, um anderer Leute Augen nicht zu beleidigen und sich selbst nicht der Lächerlichkeit preiszugeben, möglichst selbst kaschieren, zumindest aber die eigenen Konturen.
Dies immer wieder anzumahnen, sähe die Großmutter als eines ihrer unabdingbaren Rechte als Familienälteste. Schließlich meine sie es ja auch ausschließlich gut

Papperlapapp, sagt er endlich. Du hast die schönsten Beine der Welt und Deine Großmutter eine Meise. Also hör mal, das kannst Du doch nicht ernst nehmen, Du bist doch eine erwachsene Frau. Du lässt es Dir doch wohl nicht verbieten, Röcke zu tragen, nur weil Deine Großmutter ein Problem mit Beinen hat?! Ich fass es ja nicht.

Der Großvater habe noch ganz andere eigene Rechte, fährt sie fort. Rechte, die fernab von Äußerlichkeiten liegen, na ja, oder vielleicht doch nicht. Ihm sei es wichtig, dass sie klug ist, schlagfertig! Dass sie sich nichts gefallen lässt, dass sie ihren Mann stünde in jeder Situation. Klug, das hieße für den Großvater in erster Linie rational, also alles nur nicht emotional, weibisch! Nur ihm selbst gegenüber, da wünsche er sie sich aufmerksam, gelehrig, fast schon anschmiegsam. Er fordere dies ohne Widerspruch oder Ungehorsam auch nur für möglich zu erachten. Er spräche schließlich aus Erfahrung, sei sein stetes Argument. Und Frauen wie sie, denen wohl eher keiner starke Schulter zu Teil werden wird, haben sich selbst Schulter und breites Kreuz zu sein.

Hallo?! versucht er sie zu unterbrechen. Das alles ist Jahre her und so was von lächerlich! Du bist toll und ich an Deiner Seite und Dein Leben meisterst Du tatkräftigst!

Sein zweites Recht bestünde übrigens in der Auswahl ihrer Lebensmaxime, lässt sie sich nicht unterbrechen. Immer wieder bestünde er darauf, ihr die Welt zu erklären und anhand dieser Welt seine und damit ihre einzig mögliche Wahrheit zu verkünden….

Und das alles nur, weil ich in einem Nebensatz erwähnt hatte, wie toll ich das gerade aus den Zeitungen für mich entdeckte Wort Großvaterrechte fände.

15 Gedanken zu „Großvaterrechte“

  1. dr.no sagt:

    Auch mal interessant:

    Im übrigen sind dicke Hintern, Beine oder Glatzen durchaus präsentabel, wenn der Träger, die Trägerin entweder über Charme oder ein gerüttelt Maß an sympathischem Selbstbewußtsein verfügt.

    Manchmal mag ich menschliche Makel. Insbesondere Gesichts-Asymmetrien. Hier, David Bowie z.B. oder .

  2. amadea sagt:

    Meine Großmutter war sich sicher, dass ich als Erwachsene ein chronsiches Blasen- oder Nierenleiden haben würde, weil ich keine Strumpfhosen unter den Jeans trug und kein warmes Unterleiberl im Winter.
    Wie gut, dass Großmütter irren.

  3. dr.no sagt:

    Und eine Jacke die über die Nieren geht.

  4. kopffuessler sagt:

    @ dr.no, gerade das Selbstbewusstsein gibts stromlinienförmig so viel leichter, auch wenn Mr. Bowie natürlich groß ist. Gibt es Kurse in Floglotsensprache an der VHS?
    @ amadea, wie schön vor allem, dass Du Du geworden bist und nicht ein strumpfhosentragendes Mädel!

  5. King Fisher sagt:

    Das mit den Weltbildern, Lebensmaximen usw. ist schon so eine Sache. Vielleicht besser, man behält die eigene Anschauung für sich. Vielleicht auch nicht. Zumindest sollte man wohl darauf achten, wem man sie erzählt und was später möglicherweise daraus wird.
    Großmütter irren eigentlich nie. Dachte ich immer.

    @amadea: Als Kind musste ich auch Strumpfhosen tragen. Als Junge. War kein Problem; nur beim Sportunterricht… Schlimm war das.

  6. schneck06 sagt:

    dreistufenkommentar: die vorliebe für SCHRÄGE worte, an denen sich geschichte erinnert, die teile ich mit ihnen. weiterhin erachte ich UNSCHRÄGE menschen für langweilig bis in´s detail. und ausblick: der tochter sage ich immer: das wichtigste im leben sind die AUSNAHMEN!

    vielen dank also für die bereicherung von “großvaterrechte”.
    ps: als kind mußte ich immer die unterhosen von thomas daiber auftragen, “…damit das haus abbezahlt werden konnte”. da liegen hier bestimmt noch einige hunde begraben. oder auch: nicht…;-)

  7. Ole sagt:

    Für die Großmutter meiner Ex-Freundin war ich nur “der mit den viel zu kleinen Ohren”… Großmütter sind manchmal seltsam. 🙂

  8. kopffuessler sagt:

    @ King Fisher, aber kann man nicht nur im Austauch mit anderen, die eigenen Maximen entwickeln und dann eben in der Diskussion darüber auch verfeinern?
    @ schneck, es gibt so viele tolle Ausnahme-Wörter. Warst Du ein schwäbisches Kind?
    @Ole, mein Großmutter weiß, dass sie Spaghettihaare hat und ich prinzipiell zu wenig Selbstbewußtsein. 🙂

  9. schneck sagt:

    ich BIN ein schwäbisches kind!

  10. Ole sagt:

    ich nicht. aber irgendwo ist ja immer ein unterschied. 🙂

  11. oros sagt:

    ich weiß trotzdem nicht, warum für so viel mädchen scheinbar strumpfhosen quasi ein fremdwort geworden sind; ich finde das mit die beste erfindung des letzten jhs.

  12. kopffuessler sagt:

    @ oros, ich mag Strumpfhosen auch, aber ich mag sie nicht tragen müssen. Schon gar nicht unter Hosen.

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