Gerede

Diskursanalyse

Lächelst Du, teilt mich der Schatten Deiner Zähne. Schweigst Du aber, wärmt mich Deine Abwesenheit. Mit Deinen verkrümmten Worten zeigst Du mir eine längst vergilbte Welt, deren Landschaften noch einem Kartographen harren. Du aber weißt längst um die dreieinhalb Douglastannen, bei deren Anblick man sich rechts halten muss und um die Eulen, deren Gesang Zupfkuchen servierende Scheinriesen hervorlockt. Du reichst mir den dunklen Tee als handele es sich um einen Aufguss handgezupfter Nana-Minze; deine Hand zittert crescendo, deine Pupillen verengen sich zu Nadelspitzen, die erst dann wieder stricken könnten, wenn die Tasse wohlbehalten auf der Tischplatte zum Stehen kommt. Der Klang von Steingut auf Holz signalisiert das erfolgreiche Ende der ersten Etappe.

Und so gönne auch ich mir ein paar Atemzüge, bis Dein Blick mich als sein neues Opfer kürt und Deine Wimpern die Sicht freigeben in diese blickdicht verhärteten Blitzschleudern, die ein Lächeln zur Waffe machen. Niemals direkt in seine Augen schauen, hatte sie mich gewarnt, schau auf seine Schläfen, auf seine Stirn. Halte stand. Nicht erwähnt hatte sie das Magnetfeld, das schon in den umgebenden Krähenfüßen deutlich wird, allesamt pupillenzentriert, mein Blick kann sich nur ergeben in das Wagnis der graugrünen Tiefseeschluchten. Der Widerstand reichte kaum für einen Kürzesturlaub in den hellbraunen Mulden zwischen Augenbraue und Oberlid, dann war die Verlockung des kühlen Nass übermächtig. Für Sekunden.

Und da ist es auch schon, Dein Lächeln, das mich zuckend uneins macht, das mich reflexhaft zur nahe stehenden Teetasse greifen lässt, als berge Tee tatsächlich Abwehrkräfte und könnte seine Wärme Deine Kälte entschärfen. Meine Hand zittert nicht, aber die Breite Deines Lächelns verrät Dein Wissen. Von Deinen Worten hatten mich nur die ersten drei wirklich erreicht, dann ging die Konzentration für den Widerstand drauf und erst jetzt, wo alles verloren, dringen die knackenden Laute wieder bis zu mir. Noch klingen sie fremd und stehen zusammenhanglos im Raum, aber kurz später schon verbinden sie sich zu Einheiten, synchronisieren ihr Rauschen, rhythmisieren ihre Abstände. Ich zwinge mich zu einem Mund voll Luft unter Deinem prüfenden Blick und mit der Bewegung meiner Lippen verstehe ich, Deine zu lesen.

“… nicht so schlimm. Nur Mut!”

6 Gedanken zu „Diskursanalyse“

  1. amadea sagt:

    Was für ein Gegensatz – der Titel der Geschichte zum poetischen Text.

  2. Ole sagt:

    Aber genau dadurch entstehen doch die positiven Überraschungen – indem Erwartungen durchbrochen werden und zum Guten übertroffen. Herausragend toller, lyrischer, bildschöner und geschmeidiger Text (mit einer staubtrockenen Überschrift), Besteste.

  3. kopffuessler sagt:

    Ach, Ole 🙂
    Es macht sie aber zugleich ungenießbar für Ton-in-Ton-Träger.

  4. Ole sagt:

    Ton-in-Ton-Träger freuen sich vielleicht trotzdem, bemerken dabei nur die hauchfeinen Nuancen nicht. Oder sie gehen zu Tchibo, trinken einen Kaffee und essen eine Foccaccia (sehr wild!), lügen “Hab ich schon gestern gekauft”, wenn ihnen ein ungewaschener Mann mit traurigen Augen eine seiner Obdachlosenzeitungen anzubieten wagt, und verbringen den Rest ihrer Mittagspause (sie arbeiten in einer Bank oder Versicherung) bei Saturn, um zu schauen, ob die neue Chris de Burgh-CD schon draußen ist.

  5. kopffuessler sagt:

    Nichts gegen CdB, als Teenie liebte ich seine Dame in Rot. Tchibo bietet jetzt auch Foccaccia an? Die überraschen mich doch immer wieder, und Du erst, der Du über ihr Angebot Bescheid weisst.
    Manchmal mag ich Ton-in-Ton auch, gestern zB, aber darüber darf ich nicht sprechen. 🙂

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